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Hamburger Fado-Szene

Von Helge Dankwarth

Sie ist schon seit vielen Jahren voller Leben. Auch wenn es manchmal so scheint, als sei sie zum Erliegen gekommen. Aber sie macht dann nur eine kleine Pause, um danach dann umso heftiger zu pulsieren. Viele interessante Künstler trifft man in ihr. Beginnen möchten wir aber mit einer Fadista, welche lange in den späten 80er Jahren in Hamburg im Restaurant O Fado gesungen hat, nämlich Flora Silva. Von ihr erhalten geblieben ist uns eine unglaublich schöne Langspielplatte, auf welcher kein Geringerer als Jorge Fontes sie begleitet. Gehütet und gepflegt hat MPHG Christel Lauritzen diese Platte.

Ein ganz anderes Publikum spricht die seit über 30 Jahren in Hamburg lebende Aurora Modesto an, welche aus Sines stammt. Dr. Peter Koj schreibt über sie: „Sie nennt sich «fadista cançonetista e de expressão», d.h. sie versucht einen Mittelweg zwischen Chanson und Fado zu gehen. Schade, denn eigentlich hat sie das feeling und die Stimme für den fado castiço“. Soeben hat die Künstlerin eine CD unter dem Titel «Sol e Mar» herausgebracht, auf der einige Titel, z.B. «Pregões», sehr hörenswert sind.

Der als Fadista und Guitarrista uns allen bestens bekannte Orlando Pinto ist ein Vollblutmusikant. Sein Publikum liebt ihn hauptsächlich wegen seiner lustigen Fados, welche bei ihm häufig eine überraschende Pointe haben. Darüber darf aber nicht vergessen werden, dass die Darbietung seiner getragenen Fados besonders zu Herzen geht.

Der Hamburger Fadista mit den am meisten verkauften CDs ist Francisco Fialho, von seinen Freunden und Bewunderern liebevoll «Chico» genannt. Wenn man seine CDs in der Reihenfolge ihres Erscheinens hört, kann man gut bemerken, welch schöne Entwicklung er und seine Stimme im Laufe der Jahre genommen haben. Viel Anerkennung wird ihm laufend zuteil. Zuletzt belegte erbeim 1. Festival do Fado Amador in Frankfurt im März 1998 den dritten Platz. Meine Lieblingsplatte ist z.Zt. eine Gemeinschaftsproduktion von Chico zusammen mit Matilde Larguinho, nämlich «Raizes do Fado».

Wenn in Hamburg jemand von Belarmino spricht, weiß jeder, dass Belarmino dos Santos gemeint sein muss. Sehen Sie hierzu bitte auch unseren kleinen Beitrag „Wir stellen vor“ dieser Ausgabe der Portugal-Post. Diesen Ruhm hat er sich erarbeitet, ersungen und erspielt durch die langjährige hohe Qualität seiner Musik. Und das alles ohne jemals eine Platte gemacht zu haben! (,...aber auch seiner Frau gebührt sein und unser aller Dank!)

Roger Whittacker, der ja nun ganz bestimt kein Fadista ist, singt so häufig im Radio: „Wenn es Dich noch gibt, solltest Du Dich melden!“ – Ja und für mich ist vollkommen klar, dass er den Hamburger Fadista José Augusto meinen muss. Wie gern würde ich einmal wieder seine «Igreja de Santo Estévão» hören und nur für einen kurzen Moment glauben, dass es doch einmal wieder so wie damals werden könnte. Denn unter dem Kreuz der Kirche von Santo Estévão in der Alfama trafen sich früher abends die jungen Leute mit ihren Gitarren und sangen Fado. Aber in diesem Fado wird auch beklagt, dass es dieses und die wunderbare Kameradschaft von damals schon lange nicht mehr gibt.

Als ich sie damals in einem Restaurant auf einem heimlichen Mitschnitt einer Fadonacht zum allerersten Mal hörte, sprang ich auf und fragte den Wirt: „Wer ist diese Fadista?“ – Er wusste es nicht! Aber dann fand ich heraus, dass Chico sie der Plattenfirma zugeführt hatte. Damit war die Identität der Matilde Larguinho enthüllt! Wir verpflichteten sie sogleich für die Eröffnung unserer Ausstellung «Portugal na Abertura do Mundo» (14.9.92) und Matilde sang, dass der ehrwürdige mittlere Saal der Börse einfach gut roch. Er roch nach Lisboa. Sie wissen schon: «Cheira bem, cheira a Lisboa». Über dreihundert begeisterte Zuschauer trugen sie mit ihrem Beifall viel, viel höher als den höchsten Börsenkurs. Zum Schluss legten wir der großen Alentejanerin aus Aljustrel einen wunderschönen Strauß roter Nelken in den Arm. Zwei ganz außergewöhnliche CDs verdanken wir ihr und hoffen, dass noch einige hinzukommen.

Zum Freundeskreis von Matilde gehört auch der Fadista João Marques. Ein fast asketisch aussehender junger Mann, dessen Lissabonner Fado immer höchste Authentizität ausstrahlt. Nach seinem anspruchsvollen Vortrag hat er zum Schluss immer noch einen leicht in das Ohr gehenden „zum Mitsingen“. Der Titel heißt: «Pode ser Saudade» (Es kann Sehnsucht sein). Lieber João, es ist ganz sicher Sehnsucht! Kommen Sie bitte bald einmal wieder nach Hamburg.

Die zierliche Maria Lurdes ist eine Fadista für den intimen Raum. In kleinen Lokalen mit mucksmäuschenstillem Publikum wächst sie weit über sich hinaus. Ihre klare und wandlungsfähige Stimme strahlt immer dann besonders schön, wenn sie nicht auch noch durchdringend sein muss. Dem Lissabonner Fado und dem Programm von Amália fühlt sie sich verpflichtet, und dieses hoffentlich noch recht lange.

Ganz selten kann man sie nur hören, meistens auf Veranstaltungen der Retalhos de Portugal. Die Rede ist von Justa Correia. Sie „entschlackt“ den Fado, reduziert ihn auf das wesentliche und bringt dem Hörer ihre von Herzen kommende mensagem rüber. Ihr größter Fan ist Manuel Loureiro, der Präsident der Retalhos. Wenn man mit ihm über bestimmte Fados und Fadistas spricht, sagt er immer: „Ganz ehrlich, am liebsten höre ich das von Justa!“

Ohne entsprechende Guitarristas ist jedoch jede/r Fadista nur die Hälfte wert. Daher gilt den Herren an den Gitarren unser besonderer Dank. Ohne Schwierigkeiten begleiten Belarmino dos Santos und Orlando Pinto nicht nur sich selbst, sondern geben auch den „nur“ singenden Kollegen gern jede Unterstützung. Mit ganz besonderer Freude empfangen wir aber in Hamburg zwei Guitarristas, welche höchstens mal ganz leise beim Refrain oder zuhause im Badezimmer singen, nämlich António Carvalho und Alfredo Pena. Diese beiden bewegen sich irgendwo ganz knapp unter der Weltklasse. Ihre Gitarrenbegleitungen auf CDs sind schon allein den Preis des Tonträgers wert; die/den Fadista gibt’s praktisch kostenlos dazu. António Carvalho baut seine Guitarras portuguesas sogar selbst und verkauft auch noch welche, und Alfredo Pena an der Viola danken wir für viele Jahre seines „noblen“ Gitarrenspiels.

Vor einiger Zeit waren meine Frau und ich zu einer Einweihungsfeier geladen. Zu später Stunde sollte die als Gast anwesende Fadista nun mit einigen Fados der Feier das Sahnehäubchen aufsetzen. Aber weit und breit keine Gitarre! So sang die Fadista a cappella. Bis, ja bis der glücklicherweise anwesende Akkordeonspieler Gabriel Pereira sie ganz, ganz leise auf seinem schönen Instrument zu begleiten begann. Er machte das so unaufdringlich und schön wie es nur jemand kann, dessen Musikalität von einer ganz ungewöhnlichen Größe ist.

MPHG Luís Carvalho beklagt in A TRIBUNA PORTUGUESA, dass der Fado vadio in der Associação Portuguesa em Hamburgo (APH) zum Erliegen kommen könnte, da immer nur dieselben Leute kommen und dabei doch so viele Plätze freibleiben. Wer hätte denn von uns Lust, einmal Fado vadio in der APH, Heinrichstraße (Nähe Schulterblatt/Eimsbüttler Chaussee) zu hören? Wir könnten dann dort erfragen, wann der nächste Termin ist. Rufen Sie mich bitte bei Interesse an (040/7131133). So acht bis zehn Interessierte müssten wir aber schon sein, sonst lohnt es nicht.

Vor wenigen Monaten hat der Sporting Clube Hamburgo seine neuen Räume in der Billstedter Hauptstr. 1 – 15 (Legien-Center) bezogen und sogleich mit einer Fado-Traumnacht begonnen. Der berühmte und hochdekorierte Fadista Fernando Maurício hat dort seine große Kunst dargeboten. Der Name war mir schon vor vielen Jahren durch eine Ehrentafel an einem Haus in der Rua do Capelão (Alfama) aufgefallen. Durch unseren Fadofreund und MPHG Ingmar Regner bekam ich nun die Überspielung einer CD von Fernando Maurício und seit dem weiß ich jetzt auch, warum Sporting Clube damals DM 40,— Eintritt nehmen musste, denn seine Fados sind meisterhaft. Billstedter Hauptstraße 1 – 15 ist also auch eine jener Adressen, wo es sich lohnen könnte hin und wieder zu fragen, ob nicht gerade eine Fadonacht ansteht.







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Portugal-Post Nr. 9 / 2000


Die Fadista Flora Silva in Hamburg




Der Fadista und Guitarrista Orlando Pinto
Foto António Ferreira




"Chico", der Fadista Francisco Fialho am 5. 2. 2000 während der Fado-Nacht im BELA-MAR (Hamburg).
Foto António Ferreira




Die Fadista Matilde Larguinho
Foto António Ferreira




Die Fadista Maria Lurdes. Im Hintergrund António Carvalho (links) und Alfredo Pena
Foto António Ferreira




Die Gitaristen Belarmino dos Santos (links), António Carvalho (Mitte) und Alfredo Pena
Foto António Ferreira