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Offener Brief an die Schulsenatorin, Frau Alexandra Dinges-Dierig

Sehr geehrte Frau Senatorin,

mit Befremden haben wir davon Kenntnis genommen, dass der Portugiesischunterricht an den Hamburger Gymnasien aus der besonderen Förderung durch die Schulbehörde herausgenommen wurde. Es steht zu befürchten, dass Portugiesisch unter dem Druck der anderen angebotenen Sprachen, insbesondere des als leichter erlernbar geltenden Spanisch, irgendwann die Segel streichen muss.

Am Gymnasium Hochrad, wo Portugiesisch seit 1985 als dritte Fremdsprache angeboten wird, droht schon im kommenden Schuljahr wegen der nach der neuen Regelung zu geringen Teilnehmerzahl die Zusammenlegung des 1. und das 3. Semesters, eine für den Unterrichtenden kaum lösbare Aufgabe. Für den Anfängerkurs des Vorsemesters hat sich dieses Jahr noch einmal eine ausreichend große Zahl von Teilnehmern gemeldet. Doch es muss damit gerechnet werden, dass durch die neue Regelung Portugiesisch am Gymnasium Hochrad als letztem der ursprünglich drei Gymnasien, das dieses Fach noch anbietet, aufgegeben werden muss und somit als Unterrichtsfach an Hamburger Gymnasien gänzlich verschwinden wird.

Dies wäre fatal für eine Stadt wie Hamburg, die sich das "Tor zur Welt" nennt. 1985 wurden aus gutem Grund die sogenannten "Exoten-Sprachen" (Portugiesisch Arabisch, Chinesisch und Japanisch) zum ersten Mal an den Hamburger Gymnasien angeboten. Dies geschah aus gewichtigen schul-, kultur- und wirtschaftspolitische Gründen, lebt doch die Stadt seit jeher von ihren Außenkontakten. In einer sich mehr und mehr globalisierenden und vernetzenden Welt gehören Fremdsprachenkenntnisse zu den Schlüsselkompetenzen.

Daher ist es nur konsequent, neben den traditionellen Schulsprachen auch solche anzubieten, die weltweit und von vielen Menschen gesprochen werden. Dies trifft besonders für das Portugiesische zu. Für mehr als 200 Millionen Menschen von Brasilien über Portugal bis zu den afrikanischen Ländern Angola, Mosambik, Guinea Bissau und die Kapverden ist Portugiesisch Mutter- bzw. Amtssprache. Damit steht Portugiesisch an 6. Stelle der Weltsprachen, noch vor Französisch, Russisch und Italienisch.

Viele Gründe sprechen dafür, Hamburg die Rolle als Brückenkopf zur portugiesischsprachigen Welt zuzuweisen:

  • Hamburg ist seit den Zeiten der Hanse eng mit Portugal verbunden. Die älteste noch existierende Brüderschaft von Auslandsdeutschen, die Bartholomäus-Brüderschaft in Lissabon, wurde 1290 von dem Hamburger Kaufmann Michael Overstädt u.a. gegründet. Von den späteren engen wirtschaftlichen Beziehungen zeugt noch heute die vom Senat für besondere Verdienste verliehene Medaille, der "Portugalöser", die "Rickmer Rickmers", die als "Sagres" lange Jahre als Segelschulschiff der portugiesischen Marine diente, und das Vasco da Gama-Denkmal am Tor zur Speicherstadt (Kornhausbrücke).


  • Umgekehrt haben sich seit Ende des 16. Jahrhunderts portugiesische Sefarden (iberische Juden) in Hamburg niedergelassen (nach Amsterdam die zweitgrößte Kolonie) und als Kaufleute, Banker, Diplomaten, Ärzte und Wissenschaftler großen Einfluss auf die Entwicklung der Hansestadt gehabt. Insbesondere sorgten sie nach dem Niedergang der Hanse für den Anschluss Hamburgs an den Weltmarkt. Vier Portugiesen, darunter der wohlhabende António Faleiro, gehören zu den Gründern der Hamburger Börse (1619) und der im Brasilien- und Indienhandel einflussreiche Manuel Teixeira stiftete das erste Kupferdach der St. Michaelis-Kirche. Er liegt auf dem portugiesisch-jüdischen Friedhof an der Königstraße begraben. Die sich dort befindlichen ca. 2.000 Prachtgräber, zumeist mit portugiesischen Inschriften, stehen auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes.


  • Noch heute spielt der Außenhandel mit portugiesischsprachigen Ländern eine große Rolle. In der Hamburger Handelskammer sind 584 Unternehmen verzeichnet, die Handelsbeziehungen zu Portugal haben und 546 mit Handelsbeziehungen zu Brasilien.


  • Mit dem Wegfall des Portugiesischunterrichts am Gymnasium Hochrad bricht auch ein wichtiges Bindeglied in der pädagogisch-akademischen Kette zwischen dem Sprachangebot der Grundschule und Sekundarstufe I (Rudolf-Roß GS, bzw. der muttersprachliche Unterricht der portugiesischen Privatschulen) und der Universität. Portugiesisch ist seit der Gründung der Universität Hamburg (1919) ordentliches Lehrfach mit einem "Sondersammelgebiet Portugal" an der Staats- und Universitätsbibliothek. Zum SS 2001 hat das "Instituto Camões" (entspricht unserem Goethe-Institut) an der Universität ein portugiesisches Sprachzentrum (CLP) eröffnet. Die Portugiesischlehrer des Gymnasiums Hochrad haben zudem bisher das Portugiesisch-Abitur am Staatlichen Studienkolleg abgenommen.


  • Hamburg wird gerne die "portugiesischste Stadt Deutschlands" genannt. Das liegt - außer an den bereits aufgeführten historischen Bezügen und der maritimen Tradition - an der starken portugiesischen Präsenz im heutigen Hamburg. Mit ca. 11.000 Mitbürgern ist Portugal das am stärksten vertretene Land der europäischen Union. Nicht nur die portugiesische Gastronomie ist in Hamburg stark vertreten, es gibt inzwischen sogar eine nach der vor einigen Jahren verstorbenen Fado-Sängerin Amália Rodrigues benannte Straße.
Bei allem Respekt vor der Notwendigkeit von Sparmaßnahmen meinen wir, dass die durch die Einschränkung bzw. den Wegfall des Portugiesischunterrichts am Gymnasium Hochrad eingesparten Mittel nicht so erheblich sind, dass sie Nachteile auch für das Image der Freien und Hansestadt aufwiegen können. Sollen sich in Zukunft nur noch Städte wie Dortmund und Stuttgart durch ein Portugiesisch-Angebot hervortun?

Generationen von Schulabgängern der Gymnasien Hochrad und Othmarschen haben ihre in der Schule erworbenen Kenntnisse der portugiesischen Sprache und die durch den Schüleraustausch mit dem Gymnasium in Cascais (bei Lissabon) geknüpften persönlichen Bande in ihrer späteren Ausbildung und ihrem beruflichen Werdegang einsetzen können, zum Nutzen auch des Standortes Hamburg.

Schließlich ist ein gymnasiales Portugiesisch-Angebot für unsere portugiesischen Mitbewohner, vor allem für ihre hier geborenen Kinder ("zweite Generation") bzw. Enkelkinder ("dritte Generation") nicht zuletzt deshalb äußerst wichtig, weil sie mit dem Unterricht in der Sprache ihrer Eltern oder Großeltern die Verbindung zu deren Herkunftsland wahren können.


Hamburg, im August 2004


Gez. Maralde Meyer-Minnemann, M.A.
(1. Vorsitzende)
Dr. Peter Koj
(2. Vorsitzender)





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Portugal-Post Nr. 27 / 2004


1. und 3. Semester vereint Schülerinnen der Gymnasien Hochrad, Othmarschen und Christianeum



Tafelbild



Maria Varela, die gestresste Portugiesischlehrerin



Im Hintergrund:
Weltkarte mit den portugiesischsprachigen (lusophonen) Ländern



Auch in Frankreich ist der Portugiesischunterricht gefährdet. Lesen Sie mehr darüber in dem Kommuniqué der Fédération des Associations Portuguaises de France (portug. und franz. Version).

Também em França o ensino do Português encontra-se ameaçado. Se quiser informar-se, leia o
comunicado da Federação das Associações Portuguesas de França (na versão portuguesa e francesa).