Dagmar Fohl, Wer ein einziges Leben
rettet, rettet die ganze Welt GMeiner Verlag Hamburg 2020 € 20,00 /
Text: Peter Koj
Autorenlesung: Dagmar Fohl - Wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt
Einem sehr ersten Thema ist das Buch Wer ein
einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt der Hamburger Autorin Dagmar Fohl gewidmet. Der Titel ist die
Inschrift auf der Rückseite der Gedenkmedaille, die die Gedenkstätte Yad Vashem
1966 für den Portugiesen Aristides de Sousa Mendes prägen ließ. In einer
beispiellosen Aktion hatte dieser als in Bordeaux tätiger Konsul im Mai 1940, gehetzt
von allen Seiten (gegenteilige Anweisung Salazars, anrückende deutsche Truppen
und Kontrolle französischer Polizei) mehr als 30.000 Flüchtlingen ein Visum
erteilt und sie somit vor dem Tod bewahrt. Zwar rühmte Salazar nach dem Krieg
Portugals Hilfsbereitschaft gegenüber Nazi-Verfolgten, war aber nicht bereit, die
unehrenhafte Entlassung von Sousa Mendes zurückzunehmen, mit der er dessen
14köpfige Familie in den Ruin trieb. Auch die nach der Nelkenrevolution
demokratisch gewählten Regierungen taten sich lange schwer mit dem
„ungehorsamen“ Konsul. Das Parlament rehabilitierte ihn am 13. März 1988 und
beschloss vor kurzem, ihm zu Ehren eine marmorne Gedenktafel im Pantheon
anzubringen. Das deutschsprachige Lesepublikum konnte sich bisher über die
dramatischen Ereignisse im Mai 1940 und die schmachvolle Behandlung des
„portugiesischen Schindlers“ in der 2001 als Econ Taschenbuch erschienenen
Übersetzung einer Monographie des französischen Journalisten José-Alain Fralon
(Der Gerechte von Bordeaux) informieren und/oder in der bereits 1992
erschienenen romanhaften Aufarbeitung der portugiesischen Schriftstellerin Júlia
Nery (Der Konsul). Doch nun gibt es einen deutschsprachigen Ansatz der
besonderen Art. Die Hamburger Historikerin und Romanistin Dagmar Fohl versetzt sich wie auch schon in früheren Romanen (z.B. über Elfriede-Lohse-Wächtler) in die Psyche ihres Protagonisten, indem sie ihn zu Wort kommen lässt. Im Gegensatz zu Júlia Nery
verzichtet sie dabei auf romanhafte Ausgestaltung und hält sich an die Fakten
(mit Angabe der benutzten Literatur). Doch es ist schon bewegend nachzuspüren,
was sich im Kopf und im Herzen dieses Mannes abspielt, der eigentlich aus dem
konservativen Lager kommt, aber sein Gewissen über die Staatsraison stellt und
diesem bis zur eigenen Verdammnis folgt.