Buchtipp des Monats September 2013

Pois é! Konversationsbuch Portugiesisch

Von Peter Koj

Im September empfehlen wir den Lesern unserer Homepage, die schon über gute Portugiesischkenntnisse verfügen zwei Werke, die ihnen von großem Nutzen sein können.

  Was bietet man seinen Fremdsprachenschülern an, wenn sie mit dem Lehrbuch durch sind? Diejenigen unter unseren Leser, die auf einer Sekundarschule (Gymnasium o.ä.) Englisch oder Französisch gelernt haben, werden sich erinnern. Die Alternative war, mit einer Ganzschrift, zumeist einer Kurzgeschichte, einzusteigen oder mit einem Oberstufenlesebuch. Letzteres habe ich in wenig guter Erinnerung, bot es doch zumeist trockene Textauszüge zu Themen, die einen jungen Leser wenig ansprachen.

Davon kann bei der vorliegenden Textsammlung keineswegs die Rede sein. Denn dem Göttinger Dozent Joaquim Peito, dessen Lehrwerk Está bem! wir in der Portugal-Post 46 bereits vorgestellt haben, ist es gelungen, einen großen Bogen bei der Auswahl der Texte zu schlagen. Es sind insgesamt sieben Themenkreise: 1. A língua portuguesa , 2. A sociedade portuguesa , 3. Ser jovem em Portugal , 4. O Portugal de hoje e as suas raízes , 5. Lusofonia , 6. Emigração e imigração , 7. Os meios de comunicação . Jedes dieser Kapitel umfasst jeweils vier bis achtzehn verschiedene Unterthemen. Diese werden zumeist in sehr knappen Texten behandelt, die zudem den Vorteil haben, den neuesten Wissensstand wiederzugeben.

Den Texten sind zudem kleine Aufgaben beigegeben, die entweder zur Eigentätigkeit einladen oder zur Gruppenarbeit (daher auch der Untertitel Konversationsbuch ). Bei sehr vielen Übungen kommt man nur durch intensive Nutzung des Internets weiter, so z.B. wenn es um die neue Rechtschreibung geht, den so genannten acordo ortográfico . Obwohl ich mich mit dem Thema eingehend beschäftigt habe (siehe meinen Artikel in der Portugal-Post 49 ), hatte ich allergrößte Mühe mit den Übungen auf S. 49. Hier wäre ein Lösungsschlüssel durchaus angebracht gewesen.

A propos acordo ortográfico . Angeblich folgt das Lehrwerk den ab 2014 verbindlichen Regeln. Doch leider finden sich immer wieder alte Rechtschreibformen ( óptimo , carácter , fractura ). Offensichtlich hat ein selbst so erfahrener Sprachlehrer wie Joaquim Peito Probleme bei der Umstellung. Wie tröstlich!

Praxisnah und begrüßenswert ist, dass die Vokabelhilfen sich gleich neben dem Text befinden, was unnötiges Blättern vermeidet. Bei der Auswahl der erklärten Wörter hätte ich stellenweise allerdings einen anderen Maßstab angelegt. So z.B. auf S. 57 hätte ich statt ganhar das sehr viel schwierigere puxar para um pezinho de dança („jemanden zum Tanzen bringen“) erklärt oder auf S. 59 statt vinho tinto (kennt doch jeder Anfänger!) das dar boleia („jemanden im Auto mitnehmen“) . Und sollte es zu einer 2. Auflage kommen, sollte man auch die recht häufigen Silbentrennungsfehler ausmerzen.

Insgesamt jedoch gilt: Joaquim Peitos neues Werk bietet eine Fülle sachkundiger und zeitgemäßer Informationen und eine Menge Anregungen, damit zu arbeiten.

Joaquim Peito, Pois é! Konversationsbuch Portugiesisch Schmetterling Verlag , Stuttgart 2013 € 22,80

 

Sehr viel gewichtiger kommen die Idiomatik Portugiesisch-Deutsch und die Idiomatik Deutsch-Portugiesisch einher, die der Hamburger Buske Verlag herausgebracht hat: Die beiden Bände bringen zusammen fast 4 kg auf die Waage! Dieses imposante Werk ist von einem Team unter der Leitung von Hans Schemann entstanden und stellt – wie dieser in seiner Einführung betont – „die einzigen aktuellen auf dem Markt verfügbaren Bücher dar, die die heute in Portugal gebrauchten idiomatischen Ausdrücke lexikographisch-systematisch präsentieren und ihren Bedeutungsgehalt anhand von prägnanten Beispielen exemplifizieren.“

Der erste Band ist eine erweiterte Ausgabe des von Hans Schemann und seiner Frau Luiza Schemann-Dias Anfang der 80er Jahre bei Max Hueber und der Livraria Cruz erschienenen Dicionário Idiomático português-alemão . Dieses schon recht umfängliche Lexikon (gut 850 Seiten) hat mir während meiner Zeit in Portugal sehr gute Dienste geleistet, sind hier doch eine Fülle von portugiesischen Redewendungen zusammengetragen, die man in den handelsüblichen portugiesisch-deutschen Lexika vergeblich sucht. Die neue Ausgabe hat dazu noch mal mächtig aufgestockt. Von den gut 200 Wendungen, die ich damals in der alten Ausgabe nicht finden konnte, sind in der neuen allerdings nur ca . 20 neu dazugekommen.

Nun, die portugiesische Sprache ist besonders reich an Redewendungen und man kann wirklich keine vollständige Erfassung erwarten. Auch sind diese Wendungen häufig Modesache oder finden nur in bestimmten Kreisen Anwendung. Aber ich hätte doch erwartet, dass solch geläufige Ausdrücke dabei wären wie há lodo no cais („es ist etwas faul an der Sache“), um monstro sagrado („eine herausragende, berühmte Persönlichkeit“), fazer alg. num oito („jdn. zu Brei schlagen“), deitar mais achas na fogueira („Öl aufs Feuer gießen“), alto e pára o baile! („anhalten, das reicht!“), a banha de cobra („unwirksames Allheilmittel“), mandar uma boca a alg. („jdn. mit einer Bemerkung provozieren“), ser um cabeça de alho chocho („vergesslich sein“), malhar em centeio verde („vergeblich insistieren“), com cara de santo-não-te-rales („mit einer Miene der Hilf- und Arglosigkeit“), chapa ganha chapa gasta („wie gewonnen so zerronnen“), ser o prato forte de alg. („die Spezialität/Stärke von jdm. sein“), a seu bel-prazer („ganz nach seinem Belieben“), uma luta sem quartel („ein gnadenloser Kampf“), não se aguentar nas tíbias („sich nicht auf den Beinen halten“), um nur einige wenige der knapp 200 von mir in der ersten Ausgabe vermissten Ausdrücke zu nennen.

Unter dem Stichwort negócio findet man alle möglichen Geschäfte, die nicht unbedingt eine idiomatische Wendung hergeben ( um bom/mau/ótimo negócio , um negócio fantástico/sensacional ), ich vermisse aber die negócios de alta crista („dicke Geschäfte“). Und warum fehlt der Eintrag meças , der in der alten Ausgabe immerhin einmal mit peço meças („ich bitte um Entschuldigung“) vertreten war. Dieser Ausdruck mag inzwischen ungebräuchlich sein, aber es gibt eine ganze Reihe anderer Wendungen mit meças : ir a meças („konfrontieren“), pedir meças („um Erklärung, Satisfaktion bitten“), fazer meças em fazer („hartnäckig versuchen etw. zu tun“), puxar a meças de arena („herausfordern“,“den Hut in den Ring werfen“).

Trotz dieser gelegentlichen Fehlanzeigen kann der Vergleich der beiden Ausgaben einem nur höchste Anerkennung für Hans Schemann und seine Mitstreiter abverlangen. So sind z. B. aus den 12 Einträgen zu andar in der alten Ausgabe 179 (!) in der neuen geworden, wobei sogar noch pelo andar da carruagem („wie die Dinge so laufen“) fehlt. Das macht das Auffinden einer Wendung nicht unbedingt leichter, besonders wenn es bei dem Stichwort um einen zentralen Begriffe geht wie andar , coisa , mão oder palavra . Trotz strenger Alphabetisierung kann die Suche manchmal langwierig sein, weil alle möglichen syntaktischen Varianten wie z.B. Verneinungen den Blick verstellen. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Ein weiteres der Benutzerfreundlichkeit abträgliches Verfahren ist, statt eine portugiesische Wendung einfach zu erklären, unbedingt ein oder mehrere deutsche Äquivalente für diese zu finden … trotz der im Vorwort eingestandenen Tatsache, dass es eine solche häufig nicht gibt. Das fiel mir besonders bei dem Stichwort tacho auf. Und wer bitte schön ist die „schnelle Kathrin“, die zur Erklärung von estar com a tripa desatada herhalten muss. Offensichtlich steht diese Dame in manchen deutschen Regionen für Diarrhöe. All diese Äquivalente (oder auch nur Scheinäquivalente) erhalten in dem zweiten (roten!) Band ihren eigenen Eintrag. Die Idiomatik Deutsch-Portugiesisch ist dadurch noch umfangreicher: 1.225 Seiten gegenüber den 873 Seiten der Idiomatik Portugiesisch-Deutsch . Mir persönlich hätte es genügt, die jeweilige portugiesische Redewendung kurz auf Deutsch zu erklären/übersetzen, ohne krampfhaft nach äquivalenten Ausdrücken im Deutschen zu suchen, die sowieso nie deckungsgleich sind. Entsprechendes gilt für den zweiten Band. Das hätte dem Ganzen einen weniger wissenschaftlichen Anstrich gegeben, wäre aber der Handhabung sehr viel dienlicher gewesen.

Hans Schemann, Idalete Dias Idiomatik Portugiesisch – Deutsch. Dicionário Idiomático Português – Alemão

Buske/SNAH Hamburg 2012 € 68,00

Idiomatik Deutsch-Portugiesisch. Dicionário Idiomático Alemão – Português

Buske/SNAH Hamburg 2012 € 98,00