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ESSA NOSSA DITOSA LÍNGUA IX
Portugiesisch im deutschen Wortschatz

Von Peter Koj

In der 4. Folge dieser Reihe („Portinglês, Portunhol und andere ‘estrangeirismos’“) konnten wir feststellen, dass es im Portugiesischen eine ganze Reihe aus dem Germanischen entlehnter Wörter gibt (Portugal-Post Nr.3, S.8). Doch wie sieht es umgekehrt aus? Gibt es einen sprachlichen Einfluss des Portugiesischen auf das Deutsche? Ich fürchte, es wird das wohl kürzeste Kapitel dieser Serie werden und ein finsteres noch dazu.

Das erste Beispiel, das in diesem Zusammenhang gerne zitiert wird, ist das Wort „barock“. Es soll angeblich von portugiesisch „schief-rund“ stammen und dann über Italien, wo es in der Renaissance als Spottwort für die verdrehte Argumentationsweise der Scholastiker benutzt wurde, nach Frankreich gewandert sein, wo es zu erst als Stilbegriff für „bizarr, grotesk“ verwendet wurde. Die weltweite Verwendung als Stilbegriff verdankt „barock“ wiederum dem deutschen Geisteswissen-schaftler des 19. Jahrhunderts Jacob Burckhardt.

Selbst in Portugal versteht heute jeder unter «baroco» eine bestimmte Stilrichtung in der Kunst, nur wenige kennen die Spezialbedeutung, die es durch die italienische Renaissance erfuhr (= schief argumentierend); doch die angeblich ursprünglich portugiesische Bedeutung des Wortes (= schief-rund) hat sich selbst in seinem Ursprungsland verloren.

Ein anderes interessantes Kapitel portugiesisch-deutscher Sprachverbindung ist das Wort „Marmelade“. Dieses kommt von portugiesisch marmelada, was – wie die Eingeweihten wissen – nur eine ganz bestimmte Art von Brotaufstrich ist, nämlich die Quittenmarmelade. Sie gibt es in den verschiedensten Konsistenzen, von der dünnflüssigen geleia (Gelée) bis hin zu einer in Kuben geschnittenen festen Masse, die gerne als Kraftspender z.B. bei Volksläufen gereicht wird.

Wie kommt ausgerechnet dieser Begriff nach Deutschland? Nun die Antwort liegt m.E. nicht weit, nämlich über die im Augenblick im Rathaus ausgestellten sefardischen Kaufleute und ihre in Hamburg getätigten Im- und Exportgeschäfte. Wie wir durch den Historiker H. Kellenbenz wissen, der die Frachtlisten der im 16./17. Jahrhundert zwischen Hamburg und Portugal verkehrenden Schiffe studiert hat, gehörte die marmelada neben Wolle, Trockenfrüchten, Olivenöl, Zucker, Meeressalz zu den wichtigsten portugiesischen Importartikeln.

Da diese Frucht und ihr Produkt in der Hansestadt unbekannt waren, war es nur natürlich, dass man mit dem Artikel auch den Begriff übernahm. Friedrich Kluge der in seinem Etymologischen Wörterbuch sehr richtig für das erste Auftreten des Wortes „Marmelade“ im Deutschen das 16. Jahrhundert angibt aber wohl nicht den sefardisch-hamburgischen Hintergrund kennt, kann sich keine direkte Übernahme aus dem Portugiesischen vorstellen und vermutet daher eine französische Zwischenstation, unnötigerweise wie wir jetzt besser wissen.

Man wundert sich, dass bei den intensiven Handelsbeziehungen der Sefarden zum norddeutschen Raum nicht noch mehr portugiesische Begriffe aus diesem Bereich ins Deutsche eingedrungen sind, wie z.B. embargo. Doch hier soll angeblich das Spanische, wo das Wort genauso wie im Portugiesischen aussieht, der Lieferant sein. Auch mit dem Begriff despachante für jemanden, der die Zollgeschäfte für ein Schiff erledigt, tappe ich im Dunkeln. Angeblich soll dieser Begriff auch am Hamburger Hafen üblich gewesen sein. Doch selbst ein Anruf höheren Orts beim Hamburger Zoll brachte keine Klarheit.

So gebe ich auch die Information meines Freundes Horst Stephan nur mit allem Vorbehalt weiter. Nach seinem Kenntnisstand soll das im Hafenbereich umgangssprachlich für „Gefängnis“ benutzte Wort „Kallebusch“ von portugiesisch calaboiço stammen, ebenso wie der Ausdruck „palavern“ von portugiesisch palavrar. Vielleicht können Sie, liebe/r Leser/in der Portugal-Post, weiterhelfen, sei es, daß Sie weitere Beispiele haben oder die aufgeführten bestätigen können. Es soll mit diesem Artikel zwar kein Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhoben werden; trotzdem wollen wir versuchen korrekt zu bleiben und nicht – bloß aus Liebe zu Portugal – statt Etymologie (d.h. die Wissenschaft von der Herkunft der Wörter) Etymogelei treiben!





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Portugal-Post Nr. 8 / 1999