.
   


WIR STELLEN VOR: Josef Torres

Von Peter Koj

So ist er, unser Josef Torres! Als er im fernen Sesimbra im Programm für den diesjährigen Arraial des Hamburger Museums für Völkerkunde liest: „35 Jahre portugiesische Emigration in Deutschland. 1964, vor 35 Jahren, kamen die ersten ,Gastarbeiter’ aus Portugal nach Deutschland – ein markantes Datum für Deutschland und für Portugal“, da lässt ihm dies keine Ruhe. Er greift zum Telefon, um sich bei mir über so viel Mangel an Geschichtsbewusstsein zu beklagen. «Fomos os primeiros!» – „Wir waren die ersten!“ stellt er in einem Artikel unmissverständlich fest, den er mir bald darauf zuschickt und den wir auf S.15 dieser Portugal-Post abgedruckt haben.

Und recht hat er, unser Josef Torres! Die Geschichte der portugiesischen „Gastarbeiter“ in Deutschland ist ganze zwei Jahre älter, und Hamburg stand am Anfang. Denn die ersten 9 portugiesischen „Gastarbeiter“, unter denen sich auch ein gewisser José Torres befand, trafen bereits am 25. August 1962 mit einem Arbeitsvertrag der HDW in der Tasche am Hauptbahnhof der Hansestadt ein. Weitere 111 Portugiesen sollten im Dezember desselben Jahres folgen.

Was mochte José Torres veranlassen, sein geliebtes Lissabon, Frau und Kinder zurückzulassen und seine Arbeit als Kesselschmied bei der Companhia Real deNavegação aufzugeben, um sich im fernen Hamburg, dessen Bevölkerung und Sprache er nicht kannte, zu verdingen? Da waren zuerst die materiellen Gründe. Die 76 Escudos, die José Torres damals pro Tag verdiente, reichten kaum aus, um die fünfköpfige Familie zu ernähren. Aber auch der psychische Druck, in einem Staat zu leben, wo er nicht sagen konnte, was er dachte und heimlich Radio Moskau abhören musste, um sich zusätzlich zu informieren.

Natürlich gab es 1962 schon Portugiesen in Hamburg. Doch diese – und darauf legt Josef Torres großen Wert – waren nicht wie er in geregelten Verhältnissen hierher gekommen, sondern mit einem Touristen-Visum. Weswegen Josef Torres sie auch scherzhaft «turistas» nennt. Diese sogenannten «turistas» waren sehr häufig aus politischen Gründen geflohen, um den 4jährigen Militärdienst (davon 2 Jahre im Kolonialkrieg) zu umgehen oder um sich den direkten Nachstellungen der PIDE zu entziehen.

José Torres ist stolz darauf, dass er unter geregelten Verhältnissen nach Hamburg gekommen ist und fängt an, trotz der harten Arbeitsbedingungen und primitiven Unterbringung, sich in Hamburg einzurichten und einzuleben. Im September 1963 kommt dann auch seine Frau nach, D. Hermínia, und wiederum zwei Jahre später die Kinder. Schließlich optiert seine Familie für die deutsche Staatsangehörigkeit (Dez. 79).

Und so wird aus José Coimbra Torres, geb. am 3.9.1929 in Lisboa, der Hamburger Josef Torres. Ganz im Stile eines europäischen Bürgers hat Josef Torres den Ort seiner (mehr oder weniger) freien Berufswahl zu seiner zweiten Heimat gemacht. Daran ändert sich auch nichts, als sich die berufliche Situation, ausgelöst durch die Werftkrise, in den 80er Jahren dramatisch verschlechtert.

Zu tief gehen bereits die durch Mischehen der Kinder getriebenen Hamburger Wurzeln, dass an eine Rückkehr zu denken wäre. 4 Enkelkinder und 2 Urenkel sind das wandelnde deutsch-portugiesische Ergebnis. Was natürlich D. Hermínia und Josef Torres nicht davon abhält, im Casal do Sapo (Sesimbra), direkt gegenüber vom Haus der Schwägerin, einen zweiten Alterssitz anzumieten.

Und als ich Josef Torres hier in diesem Sommer besuche, werde ich nicht nur sehr gastfreundlich aufgenommen. Stolz zeigt Josef Torres mir auch sein wunderbares Radio, mit dem er auf Weltempfang gehen kann, das aber immer nur auf einen Sender eingestellt ist: natürlich nicht mehr Radio Moskau, nun ist es der Deutschlandsender – «para não esquecer o idioma» („um die Sprache nicht zu vergessen“), wie Josef Torres leicht entschuldigend sich beeilt hinzuzufügen.






Impressum         Disclaimer
.
Portugal-Post Nr. 8 / 1999