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Portugiesische Keramik in der HafenCity

Von Elke Först *

Seit wenigen Jahren prägen Baukräne die Silhouette der neu entstehenden HafenCity. Der Wechsel vom Hafengebiet zum exklusiven Wohnquartier am Wasser mit kulturellen Leuchtturmprojekten wie der Elbphilharmonie, dem Tamm-Museum oder dem Hafenmuseum ist - wie vor mehr als hundert Jahren beim Bau der Speicherstadt - mit umfangreichen Bautätigkeiten verbunden, in deren Folge die noch im Boden befindlichen Zeugnisse aus der Vergangenheit Hamburgs aufgedeckt und letztendlich ausgeräumt werden. Das als Weltkulturerbe beantragte Ensemble Speicherstadt mit seinen denkmalgeschützten Bauwerken entstand am Standort der St. Annen genannten Vorstadt, die Mitte des 16. Jahrhunderts auf dem Grasbrook gegründet und alsbald in die Stadtbefestigung einbezogen wurde. In der Vorstadt St. Annen wohnten vor allem Arbeiter und Handwerker, die in den hier ansässigen Betrieben wie den Schiffswerften, dem Kalk- und Bauhof sowie in der Tuchverarbeitung arbeiteten. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden die im Ostteil auf der Wandrahminsel gelegenen Betriebe verlagert. Auf den frei gewordenen Flächen am Alten und Neuen Wandrahm wurde ein neues Kaufmannsquartier mit barocken Palaisbauten errichtet. Ein Grund hierfür war der wachsende Bevölkerungsdruck durch den Zustrom von Flüchtlingen, die ihre Heimat aufgrund von Glaubensverfolgungen und den Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1616-1648) verließen. Ein Großteil der Glaubensflüchtlinge kam aus den unter spanischer Regentschaft stehenden südniederländischen Provinzen, ein kleinerer Teil zwangsgetaufter Juden (Sefarden) stammte aus Portugal und Südspanien. Hamburg, das in den Jahren von 1616-1625 seine Stadtbefestigung stark ausgebaut hatte und als uneinnehmbar galt, bot den Flüchtlingen - vor allem Kaufleuten mit internationalen Beziehungen und Handwerkern - ideale Voraussetzungen, ihren Geschäften und Tätigkeiten nachzugehen. In der Folgezeit erlebte die Stadt einen Wirtschaftsboom, an dem die Flüchtlinge, die sich dauerhaft in der Stadt niederließen und die Bürgerrechte erwarben, erheblichen Anteil hatten.

Als im Mai 2003 mit dem Ausheben der ersten acht Baufelder am Sandtorkai begonnen wurde, war die im Helms-Museum angesiedelte Bodendenkmalpflege mit einem kleinen Mitarbeiterteam vor Ort, um die Ausschachtungsarbeiten zu begleiten (Abb. 1). Erwartet wurden u.a. Baubefunde der hier ehemals verlaufenden Stadtbefestigung, die sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als hoher Erdwall mit Bastionen und vorgelagertem Wassergraben präsentierte (Abb. 2). In den Baugruben konnten an verschiedenen Stellen reihenförmig angeordnete Pfahlgründungen dokumentiert werden, die zur hölzernen Innenstützkonstruktion des Stadtwalles um 1600 und zu einer zwischen 1655 und 1657 durchgeführten Instandsetzungsmaßnahme gehörten. Aus den aufgeworfenen Wallschichten sowie aus der Verfüllung einer im Wallbereich vorgefundenen Grube wurde umfangreiches Fundmaterial aus der Zeit zwischen 1575 und 1650 geborgen, das im Zuge der Müllbeseitigung in den Wallkörper eingebracht worden war. Dieses Material, hauptsächlich Keramik, aber auch Tonpfeifen, Ziegel, Reste von Lederschuhen, Metallobjekte, Stoffreste und Tierknochen, bietet einen guten Einblick in die Sachkultur des ausgehenden 16./17. Jahrhunderts. Bemerkenswert ist das Spektrum des vorliegenden Haushaltsgeschirrs, das sowohl einheimische als auch importierte Keramikwaren umfasst. Mit Hilfe der Importkeramik ist es möglich, Handelsbeziehungen aufzuzeigen, die zugleich das Sozialgefüge der damaligen Hamburger Bevölkerung widerspiegeln.

Zu den importierten Keramikwaren zählen Irdenwaren und Steinzeuge deutscher Provenienz sowie Fayencen und Porzellan, die teilweise von weither bezogen wurden. Unter den Fayencen, die unter den Importen die größte Gruppe bilden, lassen sich verschiedene Herkunftsländer nachweisen. Zu ihnen gehören die Niederlande, Italien, Spanien und nicht zuletzt Portugal.

Portugiesische Fayencen gelangten schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch Ankauf oder Schenkung aus dem Kunsthandel oder aus Familienbesitz in die Sammlungsbestände des Altonaer Museums, des hamburgmuseums und des Museums für Kunst und Gewerbe. Das besondere Interesse an diesen Fayencen gründete sich auf die häufige Darstellung des Hamburger Stadtwappens, was irrtümlicherweise dazu führte, sie als Hamburger Produkte anzusprechen. Die Museumsbestände wurden 1996 im Rahmen der Ausstellung Lissabon - Hamburg. Fayenceimport für den Norden durch Ulrich Bauche im Museum für Kunst und Gewerbe bearbeitet und in einem Katalog ausführlich vorgelegt. Der archäologische Niederschlag portugiesischer Fayencen ließ wegen fehlender Bearbeitung vorhandener Grabungskomplexe lange auf sich warten. In den Fundmaterialien der seit 1998 durchgeführten Ausgrabungen in der Hamburger Alt- und Neustadt sind vereinzelt Scherben portugiesischer Fayenceteller und -krüge nachweisbar, aber erst die Ausgrabungen am Sandtorkai lieferten aufgrund der ungewöhnlich großen Menge gute Vergleichsmöglichkeiten. Zugleich ist ablesbar, dass es sich entgegen der bisherigen Deutung als Luxusgeschirr um eine Ware unterschiedlicher Qualität handelt, die in größeren Mengen als bisher angenommen über die als Zwischenhändler tätigen, in Hamburg ansässigen zwangsgetauften, portugiesischen Juden nach Hamburg importiert wurde und offenbar auch von der Mittelschicht aus Gewerbetreibenden und Handwerkern erworben werden konnte.

Die Fertigung blauweißer Fayencen in Portugal begann im ausgehenden 16. Jahrhundert und wurde maßgeblich durch den Import chinesischen Porzellans ausgelöst und bestimmt. Als erste Europäer erhielten die Portugiesen 1557 von den Chinesen die Erlaubnis zur Gründung einer Handelsniederlassung auf der Insel Macao bei Kanton. Zu den Ausfuhrgütern zählten, neben den in Europa begehrten Gewürzen wie Pfeffer, Muskat, Nelken, Ingwer und Zimt, auch Seide, Teppiche, Farbstoffe und nicht zuletzt Porzellan der Ming-Dynastie aus der Wan-Li-Zeit (1573-1619), das eigens für den europäischen Geschmack produziert wurde. In der Folgezeit wurde aufgrund der steigenden Nachfrage nach dem unbezahlbaren Luxusgut Porzellan damit begonnen, es zu imitieren. Die portugiesischen Töpfer erreichten dabei eine unnachahmliche Fertigkeit, die in Hamburg zu einer großen Nachfrage in den 30er und 40er Jahren des 17. Jahrhunderts führte. Verstärkt wurde diese durch das Aufbringen individueller Dekore wie z.B. Initialen, Hausmarken und Familienwappen, die verdeutlichen, dass auf Bestellung gearbeitet wurde.

Die Ränder der vorliegenden, mehrheitlich zu Schüsseln und Tellern gehörigen weiß glasierten Scherben mit Blaudekor sind überwiegend mit den aus dem chinesischen Motivschatz entlehnten so genannten Wan-Li-Ornamenten verziert, während im Spiegel sowohl Familienwappen (Abb. 3) als auch florale Muster, z.T. mit Landschaftselementen (Abb. 4), und Allegorien dargestellt sind. Krüge für den Weinausschank (Abb. 5), aber auch Trinkschalen für den Genuss der zur damaligen Zeit beliebten, stark gewürzten Bier-, Wein- und Branntweinkaltschalen, sind, wenn auch stark zerscherbt, im Fundmaterial nachweisbar.

Die hohe Wertschätzung portugiesischer Fayencen in Hamburg ist auch in den Inventarlisten überlieferter Testamente reicher Bürger aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ablesbar. In der Auflistung erscheinen sie regelmäßig als Spanisches Gut hinter dem selten vorhandenen, kostbaren chinesischen Porzellan und vor den Fayencen aus Italien und den Niederlanden.

Die portugiesischen Fayencen künden heute, neben den schriftlichen Quellen, als greifbare Zeugnisse von den engen Handelsbeziehungen zwischen den Hafenstädten Hamburg und Lissabon im 17. Jahrhundert.


* Dr. Elke Först ist Leiterin der Bodendenkmalpflege am Helms-Museum und Autorin des Artikels Zerbrochen und weggeworfen, erschienen in dem Katalog des Helms-Museums Der Hamburger Hafen - Das Tor zur Welt im Spiegel archäologischer Funde.






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Portugal-Post Nr. 40 / 2007


Die St. Annen-Vorstadt auf dem Grasbrook mit Darstellung der Stadtbefestigung.
Ausschnitt aus der Karte von Hamburg 1690, kolorierter Kupferstich von Peter Schenk jun.



Baugrube in der HafenCity



Teller

Sandtorkai. Fayenceteller mit Wappendarstellung (Foto Klaus Elle, Helms-Museum)



Schüssel

Sandtorkai. Fayenceschüssel mit floraler Verzierung und Wappendarstellung mit der Jahreszahl 1649 (Foto Klaus Elle, Helms-Museum)



Krug

Sandtorkai. Unterteil eines Fayencekruges (Foto Klaus Elle, Helms-Museum)