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Andere Weihnachten

Von Adelina Almeida Sedas

Es geht ruckzuck! Die Tage werden immer kürzer, und ehe man sich's versieht, ist Weihnachten da ... Ich werde schon nostalgisch und denke sehnsüchtig an "meine" Weihnachtsfeste auf portugiesische Art zurück, ohne geschmückte Tanne und ohne Weihnachtsmann, aber mit der Krippe und dem Jesuskind, das am Morgen des 25. persönlich die Geschenke in den Schuh legte.

Bei uns zu Hause wurde Weihnachten schon lange im voraus angekündigt. Um Allerheiligen teilte meine Tante mit, das Jesuskind habe ausrichten lassen, dass es demnächst vorbeikommen werde. Und tatsächlich hielt es sein Versprechen. Ende November kam es in der Nacht, begleitet von zwei Engeln, sammelte das beschädigte Spielzeug ein und nahm es mit in die Himmelswerkstatt. Da verschwand also im himmlischen Sack die Pappmachépuppe, die keine Farbe und keine Kleider mehr besaß, das Feuerwehrauto ohne Räder, die kleine Strickjacke, die zu kurz wurde, der kaputte Tretroller, das Kinderklavier, dem ein paar Tasten fehlten.

Und dann nahte Weihnachten mit Riesenschritten. Meine Tante verbot uns ausdrücklich, wieder auf Anweisung des Jesuskindes, an die Schränke zu gehen, an die Kaminholzkiste, die Nähmaschine, den Wäschekorb, kurzum, an alles, was uns reizte. Die älteren Frauen schneiderten, nähten, stickten und strickten eine Ausstattung für ein armes Kind. Auch diese Sachen durften wir nicht anfassen!

Mein Cousin, schlau und etwas frecher, begann bunte Figuren zusammenzutragen, Sammelbilder, Illustrationen aus Büchern, Zeitungen und Versandhauskatalogen. Vor dem brennenden Kamin schnitten wir äußerst geschickt und sorgfältig Rotkäppchens bebrillten Wolf, einen furchtlosen Stierkämpfer, die englischen Prinzessinnen, das Flusspferd aus der Tiersammlung aus und sogar den Filmstar Esther Williams im Badeanzug. Dann wurde alles gut sortiert und anschließend mit Mehl, Wasser und viel Geduld auf dicke Pappe geklebt.

So allmählich begann es im Haus nach warmem Honig, Fenchel, frischen Apfelsinen und Schnaps zu duften. Und auf jedem weichen Sessel oder warmen Kissen fand sich jetzt eine Schüssel mit Teig, der, ordentlich zugedeckt, darauf wartete, in den Ofen zu kommen. Am Heiligabend herrschte Geschäftigkeit: die Figuren auspacken, die seit einem Jahr in Schachteln und Zeitungspapier ruhten, Moos sammeln, Steine, Stöckchen, Sand, Laub suchen, Decken und Kissen unauffällig "zweckentfremden".

Die Männer, in der Küche zu nichts zu gebrauchen, beschäftigten sich mit der Krippe und diskutierten wie Straßenbauingenieure eifrig mit uns über den Bauplan der Krippe. Flüsse, Seen, Wasserfälle entsprangen, strömten und mündeten zwischen Brücken, Mühlen, römischen Mauern in einer Landschaft voller Hügel, Täler, Ebenen und Wäldchen. Ziegen, Enten und Schafe einträchtig neben der Prinzessin von England, Rotkäppchens Wolf, Hirten, Jägern, Fischern, Radfahrern, einem hübschen Brautpaar und einer Gruppe Waschfrauen.

Alle mussten unbedingt dabei sein, der Fischer, der uns lehrt, Nahrung zu beschaffen, der Jäger, der uns vor den wilden Tieren und dem Bösen bewahrt, der Hirte als Symbol für die Nächstenliebe und zwei Wäscherinnen, die sich am Wasser unterhalten und die Welt von Sünden reinwaschen. Und natürlich das fließende Wasser aus Stanniolpapier als Symbol des Lebens. Und alle zogen sie auf feinen Sandwegen zu der Hütte, wo das Jesuskind auf einem Wattelager ruhte. Ein geschickt mit Garn an der Wand befestigter Schutzengel schwebte über der Krippe und verkündete "Gloria in Excelsis Deo". Nur Esther Williams, der Filmstar im Badeanzug, fehlte, denn mein Großvater hatte ihr den Zutritt zur Familie aus Bethlehem verwehrt.

Weder die Krippe der Kirche noch die der Feuerwehr konnte es je an Lebensechtheit und Menschlichkeit mit unserer aufnehmen. Nachbarn und Freunde strömten in unser Haus, um das Kunstwerk zu bestaunen, das von Jahr zu Jahr wuchs.

Am Weihnachtstag hatte das Jesuskind wie durch ein Wunder die neu bemalte und angekleidete Puppe, das Feuerwehrauto mit vier Rädern, die verlängerte Strickjacke, kurzum, alles, was der Engel mitgenommen hatte, in unseren Schuhen deponiert. Niemals irrte das Jesuskind sich, niemals vertauschte oder verlor es ein Spielzeug ...

Die Jahre vergingen, und nun, in Hamburg, pflegt meine Familie weiterhin die weihnachtliche Tradition, die Krippe "aufzubauen". Inzwischen sind es rund 200 Figuren, die jedes Jahr zur Freude von Groß und Klein aus den Schachteln ausgepackt werden. Wie inzwischen üblich, wird die "Portugiesische Krippe" auch in diesem Jahr im Museum für Völkerkunde ausgestellt, und zwar vom 30. November 2007 bis zum 6. Januar 2008.

Übersetzung: Karin von Schweder-Schreiner







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Portugal-Post Nr. 40 / 2007


Krippenfiguren aus Estremoz