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Sauerkraut in Aljezur

Von Barbara Fellgiebel *

Ab in den Süden! In die Wärme! In die Sonne! Aber auslandserfahren wie wir Deutschen nun mal sind, genügt uns ein so simples Reiseziel wie Ibiza, Mallorca oder Rhodos schon lange nicht mehr. Rühmen wir uns schließlich nicht von ungefähr, Weltmeister im Reisen zu sein. Und so lockt ein jeder Reiseanbieter alljährlich mit immer exotischeren Reisezielen, von denen viele urlaubsreife Touristen noch nie etwas gehört haben, geschweige denn wissen, wo die genannten Orte sich befinden.

Im Zuge der immer beliebter werdenden "Last-Minute-Schnäppchen" findet sich so manch verschreckter Massentourist verängstigt und verwirrt in eine völlig fremde Umgebung versetzt, wo er weder Sprache noch Kultur, weder Sitten noch Gebräuche kennt. Und so passiert es schon, dass ein freundlicher deutscher Kneipenbesitzer in Albufeira auf die Frage: "Na, gefällt Ihnen die Algarve?" zur Antwort bekommt: "Ach wissen Sie, wir sind erst gestern angekommen und haben noch gar nicht viel von der Insel gesehen. Aber die Bevölkerung scheint sehr nett zu sein, obwohl wir gar kein Spanisch sprechen!"

Verzweifelt hält der zwar sonnenhungrige, aber wenig polyglotte Reisende Ausschau nach Bekanntem, Vertrautem und freut sich wie ein Schneekönig, wenn er ihm bekannte Biermarken entdeckt, sucht entsprechend Zuflucht in den Schwarzwaldstuben Negombos, dem deutschen Haus in Santo Domingo oder "bei Hannelore" auf Rhodos. Und kann er ums Verrecken nichts Deutsches finden, so tut's im Notfall eine bekannte Hamburgerkette, eine Pizzeria oder ein Chinese, denn da weiß man, was man hat, da ist man fast wie zu Hause.

Auch die Wahl der Speisen tendiert von den ersten mutigen Versuchen, der fremden Küche kulinarische Hochgenüsse abzugewinnen, hin zu wahren Begeisterungsstürmen beim Entdecken eines Wiener Schnitzels. Von Sauerkraut und Kalbshaxe in Aljezur ganz zu schweigen.

Am nächsten Abend besucht man natürlich das gleiche Etablissement und deutet das stereotype Lächeln des Kellners als persönliches Wiedererkennen - und prompt hat man "seine" Stammkneipe entdeckt, die einem für den Rest der schönsten Wochen zum zweiten Wohnzimmer wird. Egal ob mit oder ohne Glotze.

So stark der Wunsch nach Abwechslung, der Drang, etwas anderes zu sehen auch sein mag, der Bedarf an fest gefügten Routinen und vertrauten Orientierungshilfen scheint stärker. Wie sonst kann man sich das Phänomen der Stammliege am Swimmingpool, der Sandburg am Strand oder des nach der ersten Mahlzeit feststehenden, immer selben Platzes eines jeden Familienmitglieds bei Tisch erklären.

Kein Wunder, dass Herr und Frau Schnilgenhuber, die 14 gar nicht paradiesische Tage in der 1500-Bettenburg Club Paradies an der Playa do Sol verbracht haben, im nächsten Jahr an genau denselben Ort, in dasselbe beängstigende Hotel zurückkehren, denn "die Fatima an der Rezeption, die war doch immer so hilfsbereit, und sprach auch ein bissel Deutsch, und überhaupt, weiß ma' doch jetzt, wohin all die vielen Gänge führen, und welchen man zum Selbstbedienungsrestaurant nehmen muss..."
Ach ja, der Mensch ist und bleibt ein Gewohnheitstier.


* Barbara Fellgiebel lebt in Portimão.
In einer der nächsten Ausgaben präsentieren wir den von ihr ins Leben gerufenen Freundeskreis ALFA (Assoziation der Literatur- und Filmfreunde der Algarve). Er trifft sich am zweiten Montag jedes Monats in dem liebevoll restaurierten Kloster São José in Lagoa.
Hier schon mal der Kontakt:
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Portugal
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Mobil: +351 917 602 607
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Portugal-Post Nr. 39 / 2007