.
  Wir über uns    Mitglied werden    Kontakt    Gästebuch


Essa nossa ditosa língua XXV:
Weder Hand noch Fuß
Kleine Idiomatik der Körperteile *

Von Peter Koj

Der Witz ist alt wie der Wald. Ein im Fluss Badender droht zu ertrinken und schreit laut um Hilfe. Fragt ein am Ufer Stehender: "Warum schreien Sie denn so?" Antwort: "Ich hab' keinen Grund!" Der am Ufer: "Wenn Sie keinen Grund haben, sollten Sie auch nicht so schreien." Dieser Witz lässt sich nicht auf Portugiesisch erzählen, denn in derselben Situation hätte der Ertrinkende geschrieen: "Não tenho pé", d.h. ich habe keinen Fuß bzw. Halt. Und so gibt es im Portugiesischen eine ganze Reihe idiomatischer Redewendungen, die sich der Körperteile bedienen und die, wenn man sie wörtlich übersetzt, im Deutschen unverständlich bleiben. Eine Reihe von ihnen ist jedoch so plastisch und anschaulich, dass sie verdienen, hier aufgeführt zu werden.

Da wir schon mit dem Fuß (o pé) angefangen haben, bleiben wir doch gleich dabei. Wenn bei uns etwas keinen Sinn ergibt, dann hat es weder Kopf noch Fuß, im Portugiesischen hingegen weder Füße noch Kopf (nem pés nem cabeça). Die Samtpfoten fallen im Portugiesischen eine Nummer gröber aus: Wer sich leise bewegt, geht auf Wollfüßen (pés de lã). Wenn jemand mit einem Fuß geht und dem anderen zurückkommt (ir num pé e vir num outro), macht er sich rasch auf die Socken. Wer etwas mit dem rechten Fuß beginnt (entrar com o pé direito), hat einen guten Start erwischt. Zögerliche oder misstrauische Portugiesen halten den Fuß zurück (estar de pé atrás). Geschlossene Füße zeigen an, dass man etwas mit Bestimmtheit tut, z.B. beschwören oder abstreiten (jurar/negar a pés juntos).

Wer Füße und Kopf zusammenklappt (dobrar os pés com a cabeça), segnet das Zeitliche, kratzt ab, macht den Schirm zu, gibt den Löffel ab etc. (nur um mal zu zeigen, dass auch die deutsche Sprache nicht gerade arm an bildhaften Redewendungen ist). Wichtig ist, wohin man den Fuß stellt. Steht er im Ring (meter o pé na argola), hat man einen Fehler begangen. Auf den grünen Zweig (pôr o pé em ramo verde) stellt den Fuß, wer Autorität besitzt. Und wer die Füße auf die Erde stellt (pôr os pés à terra), beharrt auf etwas. Aber wer es nicht schafft, den Fuß jenseits der Hand zu schwingen (não lançar o pé além da mão), hat geistig nicht viel zu bieten. Um ein wichtiger Ratgeber von jemandem zu sein, genügt es im Deutschen, seine rechte Hand zu sein. Im Portugiesischen werden dazu noch die Füße benötigt (ser pés e mão de alguém).

Zu Händen und Füßen ließen sich noch eine Reihe weiterer Redewendungen aufführen. Doch auch die anderen Körperteile sollen mit einer kleinen Auswahl besonders expressiver Redewendungen zu ihrem Recht kommen. Auf frischer Tat wird in Portugal jemand mit dem Mund an der Flasche erwischt (apanhar alguém com a boca na botija). Wer seinen Kopf nur benutzt, um den Hut zu tragen (só ter cabeça para usar chapéu), hat nicht viel auf dem Kasten, während sein Kollege, der "Windkopf" (cabeça-de-vento), eher vergesslich und der "Hohle-Knoblauch-Kopf" (cabeça-de-alho-chocho) eher zerstreut ist.

Während bei uns jemand gelegentlich Haare auf den Zähnen hat, finden sie sich in Portugal im Nasenloch (cabelo/pêlo na venta) als Zeichen für einen aufbrausenden Charakter oder auf dem Herzen (ter cabelo/pêlo no coração) eines unsensiblen und grausamen Menschen. Einen "Eisenarm" (braço-de-ferro) braucht man bei dem auch bei uns bekannten Armdrücken, er steht in Portugal aber auch für die harte Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien.

Portugal, das Land der Heiligen, hat einen ganz besonderen Heiligen erfunden, einen Verwandten unseres "Ohne-Michel". Sein Gesicht drückt aus, dass er mit der Sache nichts zu tun haben will: cara de santo-não-te-rales (wörtlich: Gesicht des Heiligen Kümmer-dich-nicht). Das portugiesische "Karfreitagsgesicht" (cara de sexta-feira santa) entspricht im Deutschen dem Gesicht "wie drei Tage Regenwetter" (im Zeichen des Klimawandels und der damit verbundenen Dürre nicht mehr ganz zeitgemäß!). Der erste nachrevolutionäre Präsident Portugals Ramalho Eanes wurde von seinen Landsleuten gerne als cara de pau ("Holzgesicht") bezeichnet, womit man eine mürrische Person bezeichnet. Wer die Tür vor dem Gesicht hat (dar com a cara na porta) "schaut in die Röhre" (um mal eine deutsche idiomatische Wendung ins Spiel zu bringen) und wer sich das Gesicht schwarz anmalt (pintar a cara de negro), schämt sich. Wenn etwas "die Augen des Gesichts kostet" (custar os olhos da cara), geht es an Ihren Geldbeutel.

Bleiben wir doch gleich bei den Augen, sicherlich ein zentraler Körperteil. Und so ist er auch für eine ganze Reihe von sprichwörtlichen Redensarten gut. Wenn jemand ausdruckslos oder sehnsüchtig und leicht verblödet in die Gegend schaut, hat er die Augen eines toten Fisches (olhos de peixe morto) oder die eines verendenden Hammels (olhos de carneiro mal morto). Blickt er jedoch heimlich um die Ecke, wirft er "den Schwanz des Auges" (deitar/lançar o rabo do olho). Weder sollte man "mehr Augen als Bauch haben" (ter mais olhos que barriga), d.h. gierig sein, noch jemandem "die Finger in die Augen stecken" (meter os dedos pelos olhos), d.h. ihn übers Ohr hauen. Doch wohl dem, der "Feuer im Auge hat" (ter lume no olho): er hat einen besonders hohen IQ. Und wenn man etwas sehr rasch tut, so geschieht das "während sich der Teufel ein Auge reibt" (enquanto o diabo esfrega um olho).

Auch die Nase muss für allerlei Wendungen herhalten. So ist ein stolzer und unabhängiger Mensch "Herr seiner Nase" (senhor/dono do seu nariz). Sollte sich dieses Körperteil auf 1½ palmos - das sind stolze 33 cm - verlängern (ficar com o nariz de palmo e meio), dann macht man ein langes Gesicht, weil einem irgendetwas "durch die Lappen" gegangen ist. Prallt man "mit der Nase gegen die Tür" (bater com o nariz na porta), dann findet man eine Sache nicht an der Stelle, wo sie eigentlich sein müsste. Und dann kann einem leicht "der Senf in die Nase steigen" (chegar a mostarda ao nariz), d.h. man wird wütend. Und sollten Sie mal "keine Nase für die Brille haben" (não ter nariz para óculos), dann zeigen Sie, dass Sie wenig bereit sind, auf etwas einzugehen.

Für die Ohren hat das Portugiesische - Sie erinnern sich? - zwei Begriffe: orelha für das äußere Ohr und ouvido für den Gehörteil. Für idiomatische Wendungen steht jedoch vor allem letzteres auf der Matte. An die Stelle der Bohnen, die wir gelegentlich in den Ohren haben, tritt im Portugiesischen das Wachs (ter cera nos ouvidos). Man kann sich auch dumm stellen und so tun, als ob man jemanden nicht versteht. Dann kriegt man im Portugiesischen die "Ohren eines Kaufmanns" (fazer ouvidos de mercador). Oder man hat einfach "taube Ohren" (ter ouvidos moucos). Hier heißt es auch, selbst wenn es anatomisch wenig sinnvoll ist, ter orelhas moucas. Hat man jedoch "die Ohren beim Schmied" (ter os ouvidos no ferreiro), bekommt man akustisch etwas nicht mit (kein Wunder bei dem Lärm!). Unzählig die Ausdrücke für "jemandem in den Ohren liegen": man "hupt jemandem in die Ohren" (buzinar nos ouvidos), "verpasst ihm Spritzen in die Ohren" (seringar nos ouvidos), "martert das Gehör" (atanazar os ouvidos) oder bringt gleich das "Gehörtier" um (matar o bicho do ouvido).

Auch die Zunge kann es auf beachtliche 22 cm bringen: der Träger solch einer langen Zunge tut etwas nur sehr widerwillig, z.B. ein begangenes Unrecht wieder gutmachen (pagar com língua de palmo). Während uns ein Begriff, der uns nicht gleich einfällt, auf der Zunge liegt, befindet er sich im Portugiesischen auf der Zungenspitze (na ponta da língua) oder unter der Zunge (debaixo da língua). Wer jedoch "keinen Brei auf der Zunge" hat (não ter papas na língua), hat dieses Problem nicht: er plappert munter los. Und wer sich verplappert, d.h. indiskret ist, "stößt mit der Zunge gegen die Zähne" (dar com a língua nos dentes). Auch wenn mir die Zunge noch nicht zum Hals raushängt (estar com a língua de fora) - trotz meiner Bemühungen, diesen Artikel nicht zwischen Tür und Angel, im Portugiesischen "auf dem Knie" (em cima do joelho), zu redigieren - halt ich jetzt die Klappe: ich "mache einen Knoten in die Zunge" (dar um nó na língua), "schlucke sie herunter" (engolir a língua) oder "pack einen Ochsen drauf".

P.S. Das mit dem Ochsen nehme ich zurück. Denn pôr um boi sobre a língua hat den Beigeschmack (Konnotation), dass man etwas ums Verrecken nicht preisgeben möchte. Doch davon kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Es ist mir eine Freude, allen Lesern, die eine Schwäche für Portugiesisch haben, auch in Zukunft mit meinen kleinen Beiträgen bei dem Verständnis und Erwerb dieser wunderbaren Sprache behilflich zu sein.


* Der erste Teil des Artikel ist in leicht gekürzter Form in der Zeitschrift ESA, Ausgabe Juni 2007, erschienen, der zweite Teil ist für die September-Ausgabe vorgesehen.






Impressum         Disclaimer
.
Portugal-Post Nr. 39 / 2007


Illustration von Marlies Schaper

Illustration von Marlies Schaper