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Fischzug aus Leidenschaft

Von Werner Hansmann *

... e depois nem sequer podiam puxar a rede devido ao peso do peixe, pela sua abundância (João21)"

Ganz zu Beginn habe ich es mir so nicht vorgestellt. Damals, 1975, als viele Menschen in Portugal nicht so recht wussten, ob die Welt noch in Ordnung war oder ob gerade eine neue, vielleicht gar bessere Zeit anbrach. Funchal blickte zwar schon auf eine lange touristische Tradition zurück; doch aus heutiger Sicht war es damals noch eine authentische, portugiesische Stadt, recht überschaubar über ihrer Bucht, an den Hängen der tief eingeschnittenen ribeiras. Historische Gebäude prägten das Stadtbild im Zentrum; zwischen hohen Basaltmauern, die hier und da den Blick auf ländliche Häuser in traditioneller Architektur freigaben, stiegen zum Stadtrand hin die mit schwarzen Steinen gepflasterten engen Straßen steil bergauf oder wanden sich die Höhenlinien entlang. Die terrassierten Gärten, durch still dahinfließende levadas mit Wasser aus dem Norden der Insel versorgt, reichten bis weit hinunter in die Stadt.

Nennenswerte Viehzucht hat sich auf diesem zerklüfteten Bergstock, der aus großen Meerestiefen noch fast zweitausend Meter in den Himmel ragt, nie entwickelt. Halbwilde Schafe durchstreiften die unbewohnten Höhen, und dann hatte fast jeder anständige Bauer seine Kuh, die er während der Woche in ihrer kleinen Hütte fütterte und am Sonntag auf den Bergpfaden spazieren führte (das erzählte man uns). So verwundert es nicht, dass die Inselküche mehr vom Fisch als vom Fleisch geprägt war. In vergleichsweise bescheidenen Restaurants wurden einfache, aber delikate Fischgerichte angeboten, wie man sie heute kaum mehr findet.

Exotisch klingende Bezeichnungen gab es da: Cherne, Espadarte, Pescada, Polvo und natürlich der berühmte Peixe-espada, der mit der Angel aus großen Tiefen heraufgezogen wird - ein Aufstieg, den er nicht überlebt. Viele dieser Exoten konnte man fangfrisch in der Markthalle bestaunen. Doch wie sollten wir, von der Reise zurückgekehrt, von solchen Leckereien aus dem Meer erzählen? Gab es eigentlich auch deutsche Namen für alle diese Tiere? Ein erster Blick in gängige Wörterbücher war nicht gerade befriedigend für den erwachenden Wissensdurst. Ans Wissenschaftliche grenzende Recherchemethoden wurden eingesetzt. Ein Hobby war geboren.

Neben einschlägigen Wörterbüchern zog ich nun Rezeptsammlungen und andere Quellen heran, um herauszufinden, welches Meerestier genau durch einen bestimmten klingenden Namen bezeichnet wird. Doch nicht selten fand ich in der deutschen Sprache mehrere Namen als Gegenstücke. Was lag da näher, als diese nun selbst wieder in der portugiesischen Sprache zu suchen; zum einen konnte so durch die Rückübersetzung sichergestellt werden, dass es sich mit (ziemlicher) Sicherheit um das gesuchte Tier handelt; zum anderen fand ich bei diesem Schritt oftmals wieder ganz neue Namen auf der portugiesischen Seite, denen ich natürlich nachgehen musste ...

Das Unternehmen begann zu explodieren! Denn so ganz beiläufig entdeckten wir auf den Speisekarten der zahllosen Restaurants, die wir im Laufe der Jahre besuchten, und in den Rezepten, die wir fanden, immer wieder neues Getier, das noch nicht in meiner Sammlung enthalten war. Freunde, bei denen sich mein Hobby herumgesprochen hatte, konfrontierten mich mit Fragen wie "weißt du, was ein ... ist?" - und wieder gab es neue Spuren zu verfolgen.

Inzwischen sind mir weit über hundert unterschiedliche Fische und andere Meerestiere "ins Netz gegangen". Vor Begeisterung bin ich irgendwann dazu übergegangen, ihre Namen nicht nur in deutscher und portugiesischer Sprache festzuhalten, sondern auch auf Französisch und Spanisch, denn durch diese Länder kommt man ja, wenn man zwischen Deutschland und Portugal reist - und natürlich auf Englisch, der lingua franca unserer Zeit.

Längst habe ich aufgegeben zu glauben, dass dieses Unterfangen endlich ist. So erwähnten Freunde, die wir in diesem Frühjahr in ihrem Paradies in der Serra do Caldeirão besucht haben, dass sie auf dem Fischmarkt in Olhão einen schwarzen Fisch gesehen hätten, dessen Name mit X beginnt . Ein Fisch mit X? - der war noch nicht in meiner Liste. Ein Ausflug nach Olhão war angesagt. Und da gab es ihn tatsächlich: neben einer Kiste mit entzückenden kleinen Cações (Hundshaie) stand eine andere, in der ordentlich auf Eis schwarz glänzende Xaputas (Brachsenmakrelen) aufgeschichtet waren. Auf dem zugehörigen Schild war hier zwar die alternative Schreibweise verwendet worden: Chaputas - aber die waren auch noch nicht auf meiner Liste.


* Unser Mitglied Dr. Werner Hansmann ist ein großer Anhänger portugiesischer Fischgerichte. Das Verzeichnis portugiesischer Fische und Meeresfrüchte, dessen Entstehen er hier beschreibt, findet sich als druckfertiges Blatt im Internet auf der PHG-Seite (www.p-hh.de/Dokumente/Peixe.pdf ).






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Portugal-Post Nr. 39 / 2007


Vielfältiges Fischangebot auf der bota von Quarteira

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Eine moderne Varina - Fischhändlerin am Straßenrand in Quarteira

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