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Expresso und seine Geschwister

Von Reiner Drees

  C-a-f-f-e-e, trink nicht so viel Caffee,
nicht für Kinder ist der Türkentrank,
schwächt die Nerven, macht dich blass und krank,
sei doch kein Muselmann,
der ihn nicht lassen kann.

Vielleicht erinnern Sie sich an diesen Kanon aus dem Musikunterricht während Ihrer Schulzeit? Mozart, klar, mit einem Text von Karl Gottlieb Hering, den man heute als politisch nicht korrekt wohl nicht mehr durchgehen lassen würde. Aber hier geht es nicht um Muselmänner, sondern um Kaffee.

Als Getränk hat der Kaffee eine noch gar nicht mal so lange Tradition. Es wird angenommen, dass die Provinz Kaffa in Äthiopien das Ursprungsland des Kaffees ist. Dort wurde er bereits im 9. Jahrhundert erwähnt. Von Äthiopien gelangte der Kaffee vermutlich im 14. Jahrhundert durch Sklavenhändler nach Arabien. Geröstet und getrunken wurde er aber dort wahrscheinlich erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts. Der Kaffeeanbau brachte Arabien eine Monopolrolle ein. Handelszentrum war die Hafenstadt Mokka, das heutige Al Mukha im Jemen.

Mit dem Aufstieg des osmanischen Reiches wurde das Getränk immer beliebter. Das erste Café entstand in Persien. Man traf sich zum Kaffeetrinken in öffentlichen Kaffeehäusern Kleinasiens, Syriens und auch Ägyptens. Mitte des 17. Jh. entstanden die ersten Kaffeehäuser in Mitteleuropa.

Anfangs nur in Afrika und Arabien verbreitet, wurden Kaffeepflanzen später auch in anderen klimatisch geeigneten Regionen angebaut. Durch Niederländer gelangten sie im 17. Jahrhundert nach Java und sicherten Holland bald eine Vormachtstellung im Handel. Portugiesen brachten die ersten Kaffeepflanzen 1727 nach Brasilien, und bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts gehörte der Kaffee zu den meistverbreiteten Kulturpflanzen in den Tropen. Dies ist auch auf die Ausbreitung der europäischen Kolonien zurückzuführen, ohne die die heutige weltweite Verbreitung des Kaffees nicht zu verstehen ist. Brasilien ist mit rund 2,2 Mio. to jährlicher Erzeugung (28 % der Welternte in 2005) der weltgrößte Kaffeeproduzent.

Aus der Art der Zubereitung und den Gelegenheiten, zu denen Kaffee in Portugal und Deutschland getrunken wird, ließe sich viel über das Wesen zweier Kulturen lernen; zumindest galt das, solange die amerikanische Systemgastronomie mit ihren entgleisten sprachlichen (coffee-to-go) und kulinarischen Begleiterscheinungen bei uns und anderswo noch nicht Platz gegriffen hatte. Gut - persönlich mögen Sie vielleicht Tee bevorzugen, aber Portugal ohne café wäre wohl nicht mehr vorstellbar. Das Café ist dort oft wie ein zweites Zuhause.

Früher gab es bei uns in Deutschland einfach nur Kaffee, und den auch nur an Festtagen. Melitta Bentz erfand 1908 den Filterkaffee, und man trank ihn tassen- oder kännchenweise am Nachmittag, zu Keks, Kuchen oder Torte. Österreichreisende mussten anfangs verzweifeln ob der mehr als 40 verschiedenen Angebote in Wiener Kaffeehäusern. Reisen in andere Länder brachten die Erkenntnis, dass Deutschland kulinarisch noch Entwicklungsland war, aber nach und nach konnte man auch bei uns italienischen espresso oder cappuccino sowie türkischen Mokka bestellen.

Dermaßen mutig geworden, konnten wir uns - insbesondere in Hamburg - auch mit den portugiesischen Kaffeezubereitungen schnell anfreunden. Fast bräuchte man gar nicht mehr zu verreisen, denn die Anzahl portugiesischer Cafés in Hamburg wird auf gut 70 und mehr geschätzt. Man findet sie vor allem im Portugiesenviertel nahe den Landungsbrücken, rund um die Lange Reihe am Hauptbahnhof sowie im Karo- und Schanzenviertel (die Straße Schulterblatt wurde schon mal als Galão-Strich bezeichnet). Damit bin ich mitten im Thema. Was bestellt man in Portugal, wenn man einen Kaffee möchte, und was bekommt man - selbst, wenn es mit der Aussprache hapern sollte - dann serviert? Anfang 2006 erschien im Expresso ein Artikel über "café expresso - o preferido dos Portugueses". Die Vorliebe der Portugiesen für ihren expresso bedeutet aber nicht, dass es nicht auch weitere Kaffeegenüsse gibt. Hier sind die gängigsten Bezeichnungen in alphabetischer Folge aufgelistet, und sicherlich kennen Sie noch weitere:
abadanado
(oder abatanado)
schwacher Kaffee in großer Tasse mit der Kaffeemenge einer bica und viel Wasser
Bica wie café; bica findet sich als Name vor allem in der Region um Lissabon
Café kleine Espressotasse, 2/3 gefüllt
Café cheio/
bica cheia
café, jedoch mit mehr Wasser, aus Espressotasse getrunken
Café com cheirinho der "duftende" café mit einem Schuss Tresterschnaps, Brandy oder Whisky; das Gegenstück zum italienischen caffè corretto
Café cortado wie café pingado; als Bezeichnung gebräuchlich in Nord-Portugal und Spanien
café duplo wie der Name schon sagt: alles doppelt
café pingado café mit einem "Tröpfchen" oder Schuss Milch (één wolkje melk, sagen die Niederländer wohl dazu)
cappuccino große Tasse Kaffee mit Haube (Kapuze) aus aufgeschäum-ter Milch und etwas Kakaopulver bestreut
carioca de café schwacher Kaffee aus dem Kaffeesatz einer bica. Vorsicht: Wenn man nur carioca bestellt, könnte auch ein Zitronentee (carioca de limão) aufgetischt werden
Cimbalino café in der Region um Porto, vermutlich abgeleitet von La Cimbali, dem Rolls Royce (besser wohl: Lamborghini) unter den Espressomaschinen
descafeinado café von koffeinarmem (-freiem) Kaffee
Expresso umgangssprachliche Bezeichnung für den café
Galão kein großer Hahn und auch kein Galan, sondern großes Glas mit Kaffee und Milch; kann auch forte, d.h. mit größerer Kaffeeportion oder clarinho d.h. mit mehr Milch und weniger Kaffee sein
garoto der "Bengel" unter den cafés - kleine Tasse mit Milch und einem kleinen Schuss Kaffee
Italiana auch: café curto, wie café, gleiche Menge Kaffee, aber weniger Wasser
meia de leite/
café com leite
große Tasse mit Kaffee und Milch, wie unser Milchkaffee (auf Madeira z.T. auch als chinesa bekannt)
Pingo wie garoto, wird als Name hauptsächlich in der Region um Porto gebraucht

Verwirrend? Jetzt nicht mehr, und nun können Sie Ihre persönliche Vorliebe kundtun, wenn Sie etwas bestellen möchten. Mir persönlich reicht übrigens eine bica mit einem kleinen Glas Wasser dazu. Auf aromatisierte Mischgetränke amerikanischer Provenienz, die nur noch entfernt an Kaffee erinnern, wie Caramel Macchiato, und dazu womöglich donuts, bagles oder muffins, kann ich gut verzichten.

Nebenbei: Anders, als man vermutet, ist expresso nicht die Bezeichnung für den schnell zubereiteten oder schnell getrunkenen Kaffee, sondern leitet sich vom italienischen espresso ab, mit dem ein explizit (ausdrücklich) für den Gast zubereitetes Gericht bezeichnet wurde, also ein Ausdruck aus den Anfängen, als es den espresso nur in Bars gab. Eine andere Erklärung verweist auf seine Herstellung: Unter hohem Druck (9-15 bar) wird das auf ca. 90° C erhitzte Wasser durch den fein gemahlenen Kaffee geleitet (gepresst) und bildet dabei einen Schaum aus Kaffeeölen, die crema. Aber fangen Sie bloß keine Diskussion über die korrekte Wassertemperatur an; sie verprellen stets entwe-der die Niedrigtemperaturbefürworter mit ihren 86° C oder die Hochtemperatur-Begeisterten mit ihren 95° C!

Hach! Nun bin ich vom vielen Schreiben ganz durstig geworden und brauche selber einen Kaffee. Im Hinterkopf formt sich die musikalische Untermalung meines Begehrens:

  Ei! wie schmeckt der Coffee süße,
Lieblicher als tausend Küsse,
Milder als Muskatenwein.
Coffee, Coffee muss ich haben,
Und wenn jemand mich will laben,
Ach, so schenkt mir Coffee ein!
(J .S. Bach, Kaffeekantate, BWV 211).

Und so bestelle ich dann auch.

"Gerne", sagt die Bedienung - "aber draußen nur Kännchen!"







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Portugal-Post Nr. 39 / 2007