Editorial
Liebe Portugalfreunde,
Portugals großer Denker Agostinho da Silva hat einmal gesagt: "Kultur heißt richtig essen,
sich anständig anziehen und sicher wohnen." Da verwundert es nicht, dass Portugal nach Frankreich
als zweites Land der Welt seine Gastronomie zum nationalen Kulturerbe ernannt hat. Es ist also an der Zeit,
dass wir uns diesem wichtigen Thema zuwenden und eine Ausgabe unserer Zeitschrift dem portugiesischen Essen widmen.
Die portugiesische Gastronomie gehört zur großen Familie der mediterranen Küche, die von den
Ärzten als "Geheimwaffe" gegen viele Krankheiten empfohlen wird, die durch eine ungesunde Ernährung
verschuldet sind, wie beispielsweise fast food, das im Zuge der Globalisierung auch in Portugal immer
mehr Verbreitung findet und verstärkt gesundheitliche Probleme verursacht, besonders bei Jugendlichen.
Auch die Essgewohnheiten ausländischer Touristen, die beispielsweise "Sauerkraut in Aljezur" (so der
Artikel von Barbara Fellgiebel) erwarten, haben die kulinarische Landschaft in Portugal verändert.
Die Reisenden sollten sich den deutschen General Schomberg zum Vorbild nehmen, der sich bereits im 17.
Jahrhundert als großer Liebhaber der portugiesischen Küche erwies (Artikel Volker Gold).
Glücklicherweise gibt es auch heute noch eine reiche portugiesische Küche mit einer Vielzahl
regionaler Gerichte (Artikel José d'Encarnação). Ihre Güte verdankt sie Produkten,
die das Schutzsiegel für heimische Produkte DOP tragen, wie einige Käsesorten (z.B. der Terrincho),
jungfräuliches Olivenöl (wie das von Vila Flor), das flor de sal, bei uns besser unter
seiner französischen Bezeichnung fleur de sel bekannt und von den chefs de cuisine
in aller Welt hochgeschätzt, bestimmte Schlachttiere wie die cachena-Rinder, eine Variante
der barrosã-Rasse, die es nur in der Serra da Peneda gibt, und die Schinken der
berühmten schwarzen Schweine, die bei uns unter der spanischen Bezeichnung pata negra
verkauft werden, obwohl sich die Tiere von den Eicheln des Alentejo ernähren (Artikel Luise Albers).
Mit seiner traditionellen Küche gehört Portugal zu den Pionieren der Bewegung slow food
(ohne englische Begriffe läuft nichts!), die ihren Ursprung vor 20 Jahren in Italien hatte und mehr
und mehr Anhänger in der ganzen Welt findet. Der zweite Weltkongress fand übrigens 2001 in Porto
statt. Weitere Pfeile im Köcher beim Kampf für die Vielfalt der Gaumenfreuden sind die vielen
Kräuter Portugals, die vor allem in der alentejanischen Küche Verwendung finden. Und dann ist
da noch der Fischreichtum. Ausländische Touristen haben immer wieder Schwierigkeiten mit den
verschiedenen Fischsorten auf der Speisekarte und deren häufig falschen Übersetzung.
Glücklicherweise gibt es in unseren Reihen Dr. Werner Hansmann, der sie alle in einem kleinen
mehrsprachigen Verzeichnis zusammengetragen hat. In Europa konsumieren übrigens die Portugiesen
mit Abstand am meisten Fisch: jährlich 62 kg pro Kopf (die Spanier liegen mit 38 kg pro Kopf
auf Rang 2, die Deutschen mit 12 kg pro Kopf folgen erst auf Rang 13).
König unter den Fischen ist der Kabeljau: 25% der Portugiesen essen ihn am liebsten
(Cozido à portuguesa, die reichhaltige Schlachtplatte steht an zweiter Stelle).
Er ist aus der portugiesischen Geschichte und Kultur nicht wegzudenken und mehr als nur ein Nahrungsmittel:
Er ist der "treue Freund" und nationales Symbol (Artikel Peter Koj). Wo immer sich Portugiesen versammeln,
darf er nicht fehlen. Entsprechend gibt es weltweit 26 Academias do Bacalhau und - die gute Nachricht -
ab Oktober auch eine in Hamburg.
Portugal ist auch ein Land der Suppen (Artikel Maria Hilt), des Nachtischs und des Kaffees (Artikel
Reiner Drees und Nuno Oliveira) und vor allem des guten Weines (Artikel Heinrich Schmalstieg und Helge Dankwarth),
für 47% der Portugiesen das beliebteste Getränk zum Essen. Der Duft des Essens durchzieht sogar
den Fadotext, den wir dieses Mal für Sie ausgewählt haben, und auch der Spaß mit
Sprichwörtern dreht sich dieses Mal um die Ernährung. In Hamburg brauchen wir - der
Emigration sei Dank - nicht auf die portugiesische Küche zu verzichten. Mit über 40
portugiesischen Restaurants und über 70 Cafés ist Hamburg absolute Weltspitze. Dieser
Ausgabe liegen die aktualisierten Verzeichnisse bei. Aber auch im Rahmen unserer Gesellschaft kann man,
wie unsere letzte Sardinhada gezeigt hat, wunderbar portugiesisch essen (Artikel Helge Dankwarth).
Doch trotz des Angebots einer schmackhaften und gesunden Ernährung ist es um den körperlichen
Zustand vieler Portugiesen nicht sehr gut bestellt. Die Fettleibigkeit hat stark zugenommen, von 100.000
Portugiesen starben im letzten Jahr 220 an Gehirnschlägen: Das sind doppelt so viele wie in Spanien
und dreimal so viele wie in Frankreich. Einer der Gründe ist der übermäßige Gebrauch
von Salz (12 Gramm pro Kopf täglich statt der von der Weltgesundheitsbehörde empfohlenen 2 Gramm),
ein anderer der Bewegungsmangel. Radfahren oder Zu-Fuß-Gehen würde da Abhilfe schaffen, wenn
auch eine "Wanderung" von den Ausmaßen der von Katharina Høgsberg unternommenen Pilgerreise
wohl die meisten unserer Leser überfordern dürfte.
Neben den Artikeln zu dem Zentralthema gibt es wieder eine Fortsetzung von Antje Griems Sehenswürdigkeiten
in Sintra sowie Nachrichten aus unserem Verein. In die Freude über die Begrüßung von
Dr. Sebastian Giesen als 300. Mitglied der PHG (Interview Maria Hilt) mischt sich die Trauer über
den Tod von Waltraut Voß. Schließlich weist unser aktueller Terminkalender wieder auf eine
Reihe interessanter Veranstaltungen hin.
Die Redaktion
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Portugal-Post Nr. 39 / 2007
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Titel: "Der Weg ins Herz führt übers Essen", Keramikteller aus Barcelos
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