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Der treue Freund

Von Peter Koj *

Sie nennen ihn fiel amigo, treuer Freund, und reisen ihm bis ans Ende der Welt nach. Gemeint ist der bacalhau, zu deutsch Kabeljau (gadus callarias). Auf der Speisekarte findet er sich als "Stockfisch" übersetzt. Das ist die getrocknete und gesalzene Version. Sie dominiert nicht nur die portugiesische Speisekarte (Es soll so viel bacalhau-Gerichte geben wie das Jahr Tage hat).

Der Kabeljau spielt auch eine enorme Rolle in der portugiesischen Geschichte und Kultur, auch wenn der amerikanische Journalist Mark Kurlansky in seiner viel beachteten Biografie von 1997 (Kabeljau. Der Fisch, der die Welt veränderte, erschienen im Claassen-Verlag) einen großen Bogen um Portugal macht. Der Kabeljaufang führte die portugiesischen Fischer schon vor Kolumbus bis an die nordamerikanische Küste. Und mit ihnen die portugiesischen Entdecker: João Lavrador (nach dem die Insel Labrador benannt ist), Vater und Söhne Vaz Corte Real, von deren Präsenz Dighton Rock (bei Boston) noch heute zeugt. Auf alten portugiesischen Landkarten trug Neufundland den Namen terra do bacalhau (Land des Kabeljau).

Damit der Kabeljau den langen Transport auf den Segelschiffen überstand, musste er gesalzen werden. So geschieht es auch heute noch, trotz moderner Kühlschiffe. Vor der Zubereitung des jeweiligen Gerichts wird der bacalhau zwei Tage und Nächte gewässert, es sei denn, man isst ihn roh, in dünne Streifen geschnitten, zum Bierchen, wie man es noch in manchen Kneipen erleben kann. Das wohl gängigste Rezept ist Bacalhau à Brás: der gut gewässerte und dann gekochte Stockfisch wird in kleine Teilchen zerzupft, die mit fein geschnittenen Pommes frites (batatas fritas) - je feiner desto besser - und rohen Eiern verrührt gebraten werden.

Ein anderes gängiges Rezept ist Bacalhau Gomes de Sá. Hier kommen die hart gekochten Eier in Würfel geschnitten zusammen mit Oliven, frischer Petersilie und viel Olivenöl dazu. Auf keinen Fall sollte der Stockfisch-Novize mit einem anderen sehr beliebten Rezept einsteigen: Bacalhau cozido com tudo (gekochter Stockfisch mit verschiedenen Beilagen). Hier kann der Koch zwar am wenigsten "schummeln", im Gegensatz zu den anderen beiden Gerichten, wo der Stockfischanteil leicht gegen Null tendieren kann. Doch beim bacalhau cozido sticht der typische, leicht muffig-fischige Geruch zu sehr in die empfindliche mitteleuropäische Nase.

Die Portugiesen hatten mehr als ein halbes Jahrtausend Zeit, sich an diesen Hautgout zu gewöhnen, und viele von ihnen sind inzwischen förmlich süchtig danach. Es gibt Freundeskreise des Stockfisches, in denen Vorträge zum Thema bacalhau gehalten werden, während man sich an einer der vielen Varianten der bacalhau-Gerichte delektiert. Es gibt sogar eine Academia do Bacalhau, die 1998 ein kluges Buch zu dem Thema veröffentlicht hat (O Bacalhau na Vida e Cultura dos Portugueses), mit dem man die von Kurlansky gelassene Lücke schließen kann. Sofern man des Portugiesischen mächtig ist.

Man darf auch gerne den ganzen historischen und kulturellen Hintergrund vergessen und sich dem Thema rein gastronomisch nähern. Als Einstieg empfehle ich mein Lieblingsgericht bacalhau com natas (mit Püree und Sahne im Ofen überbacken). Dazu ein kräftiger vinho tinto aus dem Alentejo, mit dem wir darauf anstoßen, dass die Fischfangnationen sich auf Quoten einigen, die das Überleben des durch Überfischung in seinem Bestand bedrohten "treuen Freundes" auch für spätere Generationen sichert.


* Eine Kurzfassung dieses Artikel finden Sie auf S. 121 des im April 2004 erschienenen Merianhefts Lissabon. Weitere Anregungen für einen gastronomischen Streifzug durch Lissabon in dem von Peter Koj redigierten Info-Serviceteil dieses Merianheftes.






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Portugal-Post Nr. 39 / 2007


Bacalhau

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