Meine Trauminsel
Von Peter Koj
Jeder hat seine Trauminsel. Meine ist die Ilha do Pessegueiro, ein Ort voller Zauber und Geheimnisse.
Der Name allein ("Insel des Pfirsichbaums") lässt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen. Außerdem
liegt sie vor der Costa Vicentina, die trotz der dort geplanten Bauprojekte für mich die
ursprünglichste und schönste Küste Portugals ist. Allerdings ist es mir bisher nicht gelungen,
einen Fuß auf diese Insel zu setzen, obwohl sie in unmittelbarer Nähe der Küste liegt.
Wie häufig bin ich schon an ihr vorbei gekommen, sei es in Wanderschuhen, den Rucksack geschultert,
sei es mit dem Fahrrad!? Aber nie tauchte ein Boot auf, dass mich hätte übersetzen können.
Die knapp 500 Meter zu schwimmen wäre für mich keine Hürde gewesen. Doch was inzwischen
mit dem Fahrrad oder dem Rucksack anfangen? Und so blieb ich auf der Praia da Ilha stehen, den
Blick sehnsüchtig auf meine Trauminsel gerichtet. Wer sich von weitem der Insel nähert, z.B.
von Porto Covo, dieser pombalinischen Ortschaft etwas nördlich, dem erscheint die Insel wie der
graue und rissige Rücken eines gigantischen Dinosauriers, der sein Haupt aus den blauen Fluten
des Ozeans hebt. Einen Pfirsichbaum konnte ich bisher nicht auf ihm entdecken, aber es schien mir,
dass irgendwelche Leute sich auf ihr befanden. Später erfuhr ich, dass in den Sommermonaten
Archäologengruppen, unterstützt von Oberstufenschülern und Studenten, hier ihre Zelte aufschlagen.
Alles begann Ende der 70er Jahre, als während dreier Tage und Nächte die schwersten
Stürme seit Menschengedenken über die Insel fegten und die dünne Erdschicht davontrugen,
zusammen mit der Kriechvegetation auf dem Südende der Insel. Als der Sturm sich legte, tauchte im
Sonnenlicht einer der seltensten archäologischen Funde auf: eine Seestation zur Unterstützung
der Schifffahrt, die auf frühchristliche Zeiten zurückgeht und die - und darin besteht ihre
Einmaligkeit - nicht wie normalerweise an der Küste errichtet wurde, sondern auf dem
Rücken einer kleinen Insel.
Man vermutet, dass es sich um den römischen Stützpunkt Poetanion handelt. Die Ausgrabungen,
die seit dem Sommer 1981 unternommen wurden, haben außer den Fundamenten von Bauten aus dem 1.
und 2. sowie einem prachtvollen Bad aus dem 4. Jahrhundert Bassins freigelegt, die zur Zubereitung des
garum (salzige Fischpaste) dienten, ähnlich wie auf der Halbinsel Tróia (bei Setúbal).
Nach dem Rückzug der Römer diente die Insel als Ankerplatz für Schiffe der
unterschiedlichsten Provenienz, unter ihnen arabische und englische Seeräuber. Im Schutz der Insel
dürfte auch der berühmt-berüchtigten Sir Francis Drake geankert haben, der Sagres 1587
und zwei Jahre später Lissabon angriff, ebenso wie der Graf von Essex, der Faro 1596 plünderte.
Um dem Treiben der englischen Piraten ein Ende zu bereiten, hatte Philipp II. von Spanien (I. von Portugal)
die Idee, den Meeresarm zwischen der Insel und dem Festland zu einem echten Schutzhafen auszubauen.
Er ließ große Felsquadern zurechtschneiden und im Wasser aufschichten, damit sie eine
Mole zwischen der Insel und dem gegenüberliegenden Strand bildeten.
Gleichzeitig wurde mit dem Bau von zwei Festungen begonnen - eine auf dem Festland, die andere auf
der Insel selbst -, die wie zwei Schildwachen den im Entstehen begriffenen Hafen schützen sollten.
Diese Festungen waren der neueste Schrei, waren ihre italienischen Baumeister, allen voran der
berühmte Filipe Terzi, doch die Avantgarde der Kunst des Festungsbaus in Theorie und Praxis.
Doch mit dem Tod von Philipp II. starb auch das größenwahnsinnige Projekt. Von der Mole,
die vom Meeresgrund langsam nach oben wuchs, sind heute nur noch einige Quader übrig, die wie
die Reißzähne eines vorsintflutlichen Monsters aus dem Wasser ragen.
Die Festung auf der Insel wurde nur zur Hälfte fertig. Die auf dem Festland erlitt ein seltsames Schicksal.
Da sie keine Verwendung fand, überließ man sie sich selbst und so verfiel sie mehr und mehr.
Die Fadista Amália Rodrigues wollte sie damals dem Staat abkaufen, um sie zu restaurieren und aus ihr
ein Gästehaus machen, von dem aus man den wunderbaren Blick auf die Insel hätte genießen
können. Aber ihr Traum erfüllte sich nicht, und so kaufte sie, die große Bewunderin der
Costa Vicentina, ein Grundstück in dem nahe gelegenen Dörfchen Brejão.
Hier ließ sie sich eine Villa bauen, wo sie, wann immer sie konnte, Ferien verbrachte und wo
Helge und Edelrot Dankwarth mit ihr einen Tee einnahmen - wenige Tage vor ihrem Tod
(dazu Portugal-Post 9).
Und wann wird sich mein Traum erfüllen? Oder soll die Ilha do Pessegueiro für
immer meine Trauminsel bleiben?
|
. |
|
Portugal-Post Nr. 38 / 2007
|
|
Plan des Forte do Passegueiro von Filipe Terzi
|
|
|
Blick auf die Ilha do Passegueiro von der Praia do Queimado
|
|