"A música é a minha única religião"
Zum Gedenken an Fernando Lopes-Graça (1906 - 1994)
Von Reiner Drees
Einer der bekanntesten zeitgenössischen Komponisten Portugals, wenn nicht der herausragende überhaupt, ist
Fernando Lopes-Graça. Er wurde vor hundert Jahren, am 17.12.1906, in Tomar geboren und starb am 27.11.1994
in seinem Haus in Parede.
2006 war das Mozartjahr. Zu Recht feierte man in Europa das musikalische Genie, insbesondere in Österreich und Deutschland.
Aber das Gedenken an den begnadeten Komponisten und Musiker, das bei den kommerziellen Verwertern dieses Events
zu einer regelrechten Mozart-Besoffenheit geführt hat und den Verstorbenen im Nachhinein zu einer Pop-Ikone werden
ließ, darf nicht den Blick verschließen auf das, was sich am äußersten Rand Europas entwickelt hat.
Lopes-Graças Werk gilt es international erst noch zu entdecken. Aber auch dann wird er wohl niemals eine
"Popularität" wie Mozart erlangen. Dazu ist sein vielfältiges Werk zu sperrig, es eignet sich nicht
zum easy listening.
Nach Klavierunterricht bereits in frühen Jahren begann er 1924 sein Musikstudium am
Conservatório Nacional de Lisboa. Parallel nahm er ein Studium der Literatur auf und beschäftigte
sich zudem mit Philosophie. Er gründete später, 1942, ein eigenes Orchester für moderne Musik
(Sonata) und 1951 eine Literaturzeitschrift (Gazeta). Seine politischen Interessen, die er
nie von der Musik trennte, führten ihn in den Jahren der politischen Umbrüche Europas nach Polen,
in die Tschechoslowakei und die UdSSR. Musikalische Ausflüsse daraus sind u.a. seine
canções de luta (genannt heróicas). In seinem musikalischen
Gesamtwerk findet man sowohl Anleihen bei der portugiesischen Volksmusik wie auch Einflüsse des
europäischen Neo-Klassizismus.
Meine persönliche Erstbegegnung mit Lopes-Graça war sein vor 25 Jahren (1981)
uraufgeführtes Requiem pelas vítimas do fascismo em Portugal aus dem Jahr 1979,
für das er kurz nach seinem 70. Geburtstag einen Auftrag des Kultusministeriums erhalten hatte.
Lopes-Graça war alles andere als religiös; dennoch hat er das Requiem - zudem in der
Kirchensprache Latein - ganz bewusst verfasst.
Ich lernte dieses Werk über eine CD kennen, und jedes Mal, wenn ich sie höre, hinterlässt
die Musik in mir tiefe Verstörung - so wird das, was in den Jahren der Salazar-Diktatur in Portugal
geschehen ist, noch Jahre danach und auch den nicht direkt Betroffenen erlebbar. So ist auch mein
Verständnis für Portugal und seine Bewohner nicht nur geprägt von touristischen
Eindrücken, sondern ebenso von dem musikalischen Erbe, zu dem man dieses Requiem rechnen muss.
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Portugal-Post Nr. 37 / 2007
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