Die Artenvielfalt genießen
Von José d'Encarnação
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Der Botanik-Professor Jorge Paiva von der Universität Coimbra pflegt seit etlichen Jahren die Gewohnheit,
als Weihnachtsgruß eine Karte zu verschicken, auf der er ein "heißes" Thema aus dem Bereich
Ökologie anspricht, wobei er unter diesem Begriff die Wissenschaft versteht, die sich mit der Erde als
unserem Haus ("oikós" auf griechisch) beschäftigt und mit der Frage, wie wir sie am besten
genießen können.
Das diesjährige Thema lautete die Bedeutung der "unsichtbaren" Artenvielfalt, d.h. der
mikroskopischen. Nach der Feststellung, dass wir für gewöhnlich nur von infektiösen
Mikroben sprechen, "obwohl von 1000 Arten lediglich eine einzige krankheitserregend ist", sagt er,
dass zur Zeit "ungefähr 80 % der globalen Biomasse (Gesamtgewicht der Lebewesen auf dem Erdball)
aus mit bloßem Auge nicht wahrnehmbaren Lebewesen besteht" und dass zum Beispiel "unser eigener
Körper zehnmal so viele Bakterien wie Zellen besitzt".
Diese Artenvielfalt, führt er weiter aus, ist noch kaum erforscht, wobei er - wiederum als Beispiel
- anfügt, dass auf den Azoren kürzlich eine neue Zikadenart aus der Familie der
Cicadellidae identifiziert wurde, von der es "auf dem portugiesischen Festland über 300 Arten
geben dürfte, viele davon der Wissenschaft noch nicht bekannt, was der Anzahl der in Portugal vorkommenden
Vogelarten entspricht."
Und eben diese Artenvielfalt wollen die Umweltschützer erhalten. Dabei geht es um eine Bewusstmachung,
die bereits in der Grundschule einsetzt, weshalb wir heute feststellen können, dass es allgemein
üblich ist, unseren Hausmüll an den "ecopontos" genannten Stellen mit den Containern -
vidrão für Glas, papelão für Papier und Kartonagen, den
Behälter für Plastik und Metall sowie den pilhão für Batterien (den gibt
es sogar auch in den Einkaufszentren) - zu trennen. Und im Rahmen der Technischen und Visuellen Erziehung
ist das Arbeiten mit recycelten Materialien längst gängige Praxis.
Auch die örtlichen Behörden, namentlich die Rathäuser und Gemeinderäte, kümmern
sich sehr um Schutz, Erhalt und Ausbau der Umwelt, sei es durch die Organisation von geführten
Besichtigungen, sei es durch die Anlage von Wanderwegen entlang von Wasserläufen, an der Küste
oder im Gebirge.
Die Küste von Cascais bis zu den Ausläufern der Serra de Sintra jenseits der Praia do Guincho
ist zum Beispiel so ein privilegiertes Gebiet unter dem Aspekt ungewöhnlicher Pflanzenarten; sie
wachsen zwischen den Felsen oder in den Dünen, weshalb es möglich wurde, den Parque Natural
Sintra-Cascais zu schaffen, gerade wegen der unüblichen Charakteristika seiner Vegetation.
Um diese Naturschönheiten besser genießen zu können, hat man von Fachleuten verfasste
Abhandlungen veröffentlicht, von denen ich den interessanten Führer Cascais - Um Olhar
sobre a Natureza von António Pena und Luís Gomes, mit schönen Fotografien versehen
(Câmara Municipal de Cascais, 1992) nennen kann sowie das Büchlein Trilhos Naturais da
Costa do Estoril, ebenfalls aus der Feder von Luís Gomes (Junta de Turismo da Costa do Estoril, 1995).
Der Grupo Ecológico de Cascais veranstaltet Wanderungen entlang dem Bach Ribeira das Vinhas,
wo man die nur dort vorkommenden Arten sowohl der Flora als auch der Fauna beobachten kann, und bei Peninha
in der Serra da Sintra werden Eselsausritte organisiert (der Esel stand zeitweilig auf der Liste der bedrohten Arten).
Und es ließen sich noch viele andere Beispiele aus anderen Teilen des Landes anführen, wie das
der Gemeinde S. Brás de Alportel, die sämtliche Brunnen und Quellen wieder instand gesetzt und
mit sorgfältiger Ausstattung dafür gesorgt hat, dass die Bevölkerung diese Anlagen besser nutzen kann.
Auch die portugiesische Universität hat sich in diesem Zusammenhang nicht vor ihrer Verantwortung
gedrückt; Magisterstudiengänge wie das Fach Museologia e Património Cultural
(Museumskunde und Kulturerbe) bieten Forschungsmöglichkeiten auf diesem Gebiet. Eine meiner Studentinnen widmet ihre Magisterarbeit dem wunderschönen Naturschutzgebiet Reserva Botânica de Cambarinho in der Nähe von Viseu, zudem wurde kürzlich eine andere, ebenfalls an der Universität Coimbra entstandene Arbeit veröffentlicht, mit dem Titel Montemuro - Um Despertar de Antanho, über die Artenvielfalt in der Serra de Montemuro, in der Region Beira Alta mitten im Land.
Und nichts eignet sich besser als Schlusswort für diesen kurzen Abriss als die letzten Zeilen dieses
Buches von Teresa Peralta, weil sie gewissermaßen das Wesentliche aussagt über die Kampagne, in
der wir alle uns ganz bewusst engagieren:
"Nebel legt sich über die Felder und Dörfer, wie eine Mutter, die ihre schon schlafenden Kinder
liebevoll zudeckt. Die langsam untergehende Sonne reicht uns einen goldenen Umhang. Ein großer Vogel
hoch droben ist ein lebender Punkt in der endlosen Weite, die nur ihm gehört ...
Montemuro legt sich schlafen. Eisiger Wind reißt uns aus unserer Verzückung und erinnert uns daran, dass es Zeit ist, in unseren Betonwald mit lärmendem Gewimmel zurückzukehren. In ein paar Tagen ist wieder Wochenende."
Übersetzung: Karin von Schweder-Schreiner
* Professor an der Universität Coimbra. Wohnt in Cascais, wo er als Historiker, Archäologe,
Schriftsteller und Journalist tätig ist.
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Portugal-Post Nr. 37 / 2007
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Parque da Fonte Férrea in der Gemeinde S. Brás de Alportel (Algarve)
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