.
  Wir über uns    Mitglied werden    Kontakt    Gästebuch


Warnung vor Sardinennetzen

Von Peter Koj

Lieber Leser der Portugal-Post, wenn Sie das nächste Mal durch Alfama schlendern, achten Sie darauf, dass Sie sich nicht in einem Sardinennetz verheddern, das eine Portugiesin nach Ihnen auswirft. Die Gefahr besteht, soll man der Geo Special Portugal-Ausgabe vom August/September 2006 Glauben schenken. In der Reihe "Groß in Mode: die Stimmen des Fado" werden einige novas fadistas von Lissabonner Modeschöpfern herausgeputzt und in eine reizvolle Lissabonner Örtlichkeit, pardon location platziert. Dazu gibt es ein paar Zeilen aus einem von ihnen interpretierten Fado. Bei Carla Pires ist es der Fado Sardinheiras. Doch die darin besungene sardinheira vermelha, welche die Fadista von ihrer Mansarde auf das männliche Wesen in der Gasse wirft, dürfte wohl kaum ein Sardinennetz sein, sondern wohl eher eine rote Pelargonie (auch Geranie genannt), die man allenthalben in den Blumenkästen und -töpfen von Alfama findet.

Doch dies ist eigentlich der einzige Ausrutscher in einem ansonsten sehr gelungenen Heft, sieht man mal ab von dem auch sonst leider verbreiteten irrtümlichen Gebrauch von "Kachel" statt "Fliese" für azulejo. Thematisch ist das Heft sehr breit gefächert und dürfte eigentlich für jeden etwas Interessantes und Neues bringen. Gleich zwei Beiträge stammen vom Betreuer des Heftes, Markus Wolff, einer über das Ozeanarium, der andere über das alentejanische Dorf Luz, das den Fluten des Alqueva-Stausees weichen musste. Beide gut recherchiert und auch für den Kenner der Materie informativ. Ähnliches lässt sich auch von den Artikeln über den Bairro Alto und den Nationalpark Peneda-Gerês sagen. Dazu kommen drei lesenswerte Porträts des EU-Präsidenten Manuel Barroso, des Star-Fußballtrainers José Mourinho und des Spaniers Juan Pujol Garcia und dessen Aktivitäten im Netz der Agententätigkeiten im Lissabon des zweiten Weltkriegs, die auch im Mittelpunkt der Romane von Robert Wilson stehen.

Ob es jeden interessiert, wie sich Rüdiger Dillo mit 65 Jahren noch aufs Wellenreiten einlässt, mag dahin gestellt sein. Dann vielleicht schon eher der Cão de Água Português, diese spannende und seltene Hunderasse, die vor ein paar Jahren in der Zeitschrift Mare schon einmal vorgestellt wurde. Hübsch auch die Reportage über die schlafdefizitären Portugiesen und was manche von ihnen nächtens treiben, sozusagen eine Bestätigung für Maralde Meyer-Minnemanns These, dass die tristeza der Portugiesen wohl eher auf Schlafmangel beruht (Portugal-Post 35, S. 42-43).

Die Photostrecken können qualitativ mit den Wortbeiträgen mehr als mithalten. Absolutes Highlight sind die verschollen geglaubten Fotos, die der 1999 verstorbene amerikanische Regisseur Stanley Kubrick (Clockwork Orange, Eyes Wide Shut etc.) 1948 als blutjunger Fotograf für die Zeitschrift Look gemacht hat. Sehr schön, ja fast zu schön sind die Aufnahmen zum Gerês-Artikel. Ich habe Portugals Nationalpark zu den verschiedensten Jahreszeiten mehrfach durchwandert und ihn als sehr viel verkarsteter und weniger üppig erlebt (dazu meine Berichte Der mit den Kühen tanzt und Urlaub machen im Gerês - aber wie?, beide im ersten Heft der Portugal-Post). Wer sich also auf den (Wander)weg in Portugals äußersten Norden machen möchte, sollte keine allzu hohen Erwartungen an eine grüne und blühende Landschaft im Gepäck tragen.

Und da wir gerade bei den Photos sind: Ähnlich wie beim Merian-Heft Lissabon liegt auch hier der Teufel im Detail, will sagen den Unterschriften. Die Photoredaktion, bemüht um schmissige Formulierung, tappt dann schon manchmal daneben. So ist der "himmlische Platz" auf S. 30 und 31 nicht der Largo de Santa Luzia. Gleich um die Ecke liegt zwar der Miradouro de Santa Luzia, aber dieser Platz mit dem Standbild des São Vicente, bei Touristen und Lissabonnern wegen seines wunderbaren Blicks auf das Castelo gleichermaßen beliebt, ist der Largo das Portas do Sol. Die prachtvolle Bäckerei und Konditorei auf S. 26 heißt nicht "San Roque" sondern - mit vollem Namen - Boutique de Pão de São Roque. Sie liegt an der Ecke R. Dom Pedro V und Rua das Flores und kann den Freunden portugiesischer Backkunst nur wärmstens empfohlen werden.

Dass die Costa Vicentina unverbaut ist, lässt sich leider nur mit Einschränkung sagen, auch wenn das Foto auf S. 14 und 15 dies suggeriert. Unglücklich ist auch die Charakterisierung des manuelinischen Stils des Hieronymusklosters als "Zuckerbäckerstil" (S. 34). Dies ist eine abwertende Bezeichnung für die historisierende Architektur der Sowjetunion (z.B. die Lomonossow-Universität in Moskau), während die Manuelinik Portugals eigenständiger Beitrag zur Spätgotik ist.

Unschön ist die Eindeutschung portugiesischer Begriffe und Herrschernamen. "Alfons Heinrich" als Bezeichnung für Portugals Gründerkönig D. Afonso Henriques klingt reichlich komisch und auch dem Chafariz d'El Rei, vor dem Mísia auf S. 45 posiert, hätte man seine portugiesische Bezeichnung lassen sollen, da "königliches Brunnenhaus" falsche Assoziationen weckt. Es handelt sich um einen Stadtbrunnen, der seinen Beinamen "des Königs" daher hat, dass ihn der König D. Dinis hat errichten lassen. Doch die portugiesischen Könige haben hier nie ihren Durst gestillt, sondern die 6 Wasserhähne waren für das Volk bestimmt, und zwar streng getrennt: Der erste dufte nur von männlichen schwarzen Sklaven benutzt werden, der zweite von Matrosen, die damit ihre Schiffe versorgten, der dritte und vierte war für weiße Männer bestimmt, der fünfte für schwarze Sklavinnen und der sechste und letzte für weiße Frauen.





| Seitenanfang |





Impressum         Disclaimer
.
Portugal-Post Nr. 36 / 2006


GEO Special Nr. 4
Aug./Sept. 2006,
EUR 7,80