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An der "raia", der portugiesisch-spanischen Grenzregion

Von Luise Albers

1999 führte ein Team unter dem spanischen Soziologen Amando de Miguel 3010 Interviews mit Menschen in der Grenzregion durch. Die Interpretation der Ergebnisse kann unterschiedlich ausfallen. Miguel meint, gegenseitige Unkenntnis liege vor sowie das Fehlen politischer Strategien, die gemeinsame Interessen vertreten. Die einander abgewandte Politik ("Politik des zugekehrten Rückens") sei zwar im Bereich institutionalisierter Beziehungen und Politik überwunden, nicht aber in der Praxis, obwohl manche Nachbarn in der Grenzregion seit vielen Jahren Seite an Seite leben. Miguel stellt ein "gewisses Minderwertigkeitsgefühl" bei den Portugiesen fest. Es scheint ihm offensichtlich, dass der "Iberismus" an Einfluss verliert und zunehmend für eine archaische konservative Idee gehalten wird, die im Sozialen wenig ausrichtet. Er selbst befürwortet einen "pragmatischen Iberismus" ohne die Notwendigkeit einer politischen Union, da schließlich Portugal und Spanien zusammen die siebtgrößte wirtschaftliche Macht weltweit wären.

Der portugiesische Professor Francisco Moita Flores achtet mehr auf die tatsächliche Situation der Bevölkerung im Grenzgebiet. Er spricht von einem "landwirtschaftlich und menschlich verödeten Streifen mit einer alternden Bevölkerung, darunter Analphabeten." Große Wertschätzung hat Flores für die Komplizenschaft und Solidarität, die sich im spanischen Bürgerkrieg entwickelte und bis heute besteht. Er hält eine Grenzregion für möglich, "wo es eine weniger zynische, weniger eitle und weniger reiche Gesellschaft gibt, eine glücklichere, ruhigere und einander besser kennende."

In einer Gegend allerdings wird diese friedvolle Vision so bald nicht Wirklichkeit werden. Die Stadt Olivenza, oder aber Olivença, mit ihren ca. 10.000 Einwohnern bleibt Anlass für viel Polemik. Olivença war im Jahr 1297 portugiesisch geworden durch den Vertrag von Alcanizes zwischen D. Dinis von Portugal und Ferdinand IV. von Kastilien. Unter den portugiesischen Herrschern wurde Olivença eine Festung gegen den spanischen Feind mit dem Befestigungswerk der Templer samt Turm, 40 Meter über der Burg. 1509 begann der Bau einer Brücke über den Guadiana. 1802, während der Invasion des Alentejo durch spanische Truppen mit französischer Unterstützung, ergaben sich Olivença und andere Städte. In jenem Jahr sah sich Portugal gezwungen, einen Pakt mit Napoleon Bonaparte und Karl IV. von Spanien zu unterzeichnen, genannt Vertrag von Bajadoz. Mit diesem Pakt verlor Portugal "die Festung von Olivença, Territorium und Weiler ab dem Guadiana" an die Spanier. Der Guadiana war fortan die Grenze. Der Pakt würde ungültig, wenn einer seiner Punkte verletzt würde. Dies geschah, als 1807 Franzosen und Spanier Portugal überfielen. Prinzregent D. João veröffentlichte 1808 in Brasilien ein Manifest, in dem er den Vertrag von Bajadoz für ungültig erklärte. Aus portugiesischer Sicht ist klar, dass die Spanier somit gezwungen sind, Olivença zurückzugeben, was allerdings nie geschah.

Insbesondere die "Gruppe der Freunde Olivenças" (GAO) kämpft mit verschiedensten Mitteln für die Rückgabe Olivenças an Portugal. Sie propagiert eine gemeinsame Verwaltung für dreißig oder vierzig Jahre, gefolgt von einem Referendum, in dem gesichert wird, dass die Bevölkerung keine Vergünstigungen verliert. Bezüglich dieses seit nunmehr 200 Jahren bestehenden Problems internationalen Rechts wirft die Forscherin Ana Paula Fitas der portugiesischen Regierung Gleichgültigkeit und nationalen Konformismus (Angst, in Madrid in Ungnade zu fallen) vor. Sie sagt, die CIA habe 2003 die oliventinische Frage als einen potenziellen Fokus regionaler Konflikte in Europa herausgestellt (aber wer würde sich auf die CIA beziehen...?).

Ana Paula Fitas zufolge ist die Identität der Bevölkerung unter historischen Gesichtspunkten portugiesisch, in kultureller Perspektive oliventinisch (singulär) und im politisch-regionalen Kontext spanisch. "Der Versuch der Verspanischung der Menschen und ihrer Lebensweise greift noch nicht", aber "wenn es keine kulturelle Intervention Portugals in dem Gebiet gibt, sind die Oliventinos der Haftkraft vereinheitlichender Praktiken und Symbole ausgesetzt, die ihre kulturellen Widerstandsreserven schwächen". - Und warum nicht beiderseitig Olivença darin unterstützen eine "lusisch-spanische Realität" zu verkörpern? (vgl. Expresso März/April 2005).





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Portugal-Post Nr. 36 / 2006