Portugal und der Erste Weltkrieg
Von Peter Koj
José Rodrigues dos Santos dürfte wohl der Portugiese mit dem landesweit bekanntesten Gesicht sein.
Seit 1991 flimmert er jeden Abend als Moderator des Telejornal (RTP) in die portugiesischen Stuben.
Doch der sympathische Fernsehstar hat durchaus auch literarische Ambitionen.
Besonders sein dritter und letzter Roman, O Codex 632, bricht in Portugal alle Kassenrekorde
(wir haben das Buch in der Portugal-Post 34 ausführlich vorgestellt).
Auch schon sein zweiter Roman aus dem Jahre 2004, A filha do capitão,
dessen deutsche Übersetzung soeben bei Droemer unter dem Titel Die französische Geliebte
erschienen ist, hat in Portugal eine breite Leserschaft gefunden.
Wie in O Codex 623, wo es um die portugiesische Herkunft von Kolumbus geht, hat sich
Rodrigues dos Santos auch in diesem Roman ein historisches Thema vorgenommen: Portugals Einsatz
im Ersten Weltkrieg. Der Tod vieler portugiesischer Soldaten in den Schützengräben
Flanderns ist erst in den letzten Jahren in Portugal thematisiert worden. Rodrigues dos Santos
hat zudem einen ganz persönlichen Grund, das Sujet aufzugreifen: seine beiden Großväter
waren im Einsatz gegen die Deutschen. Während sein Großvater mütterlicherseits als
kleiner Gefreiter den Gastod fand, überlebte der Großvater väterlicherseits als Hauptmann.
Vor diesem historischen Hintergrund spielt sich nun die Geschichte des portugiesischen Hauptmanns
Afonso da Silva Brandão ab, der sich unsterblich in die schöne Französin Agnès
Chevallier verliebt. Obwohl verheiratet, erwidert sie seine Liebe und wird kurz vor Kriegsende schwanger.
Afonso gerät in Gefangenschaft und als er nach Kriegsende in sein portugiesisches Heimatdorf
zurückkehrt, erfährt er, dass Agnès und das Kind bei der Geburt gestorben sind.
Widerwillig heiratet er Carolina, Tochter aus reichem Hause. Doch ein Brief von Agnès Vater,
der ihn 10 Jahre nach Kriegsende erreicht, bringt eine überraschende Wendung
(die hier natürlich nicht verraten wird).
Das Ganze präsentiert sich als ein spannender und gut lesbarer Schmöker mit viel Liebe
zum Detail und ohne hohen literarischen Anspruch. Die Tatsache, dass gleich drei Übersetzerinnen
im Einsatz waren (die Hamburgerinnen Karin von Schweder-Schreiner und Barbara Mesquita,
sowie Marianne Gareis), hat übrigens nichts mit dem Umfang des Romans zu tun (fast 630 Seiten),
sondern mit den Terminvorgaben des Verlags.
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Portugal-Post Nr. 36 / 2006
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José Rodrigues dos Santos
Die französische Geliebte
Übers. von Karin von Schweder-Schreiner,
Barbara Mesquita und Marianne Gareis.
Droemer Verlag 2006. EUR 22,90
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