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Kleiner Mann auf großer Reise

Von Reiner Drees

Arnold Stadler, Jahrgang 1954, stammt aus Meßkirch, einer Kleinstadt zwischen Donau und Bodensee. Er hat Romane, Erzählungen, Essays und Gedichte veröffentlicht und wurde in den letzten Jahren bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnet (u.a. 1999 Georg Büchner-Preis).

Der vorliegende Band umfasst fünf Erzählungen. In der ersten - Ausflug nach Afrika - träumt der schrullige, nur 1,59 m große Held in seinem südbadischen Dorf von einem Leben unter Palmen, und eines Tages macht er sich auf und schafft es - mit mehrtägigem Aufenthalt in Lissabon - nach Guinea Bissau. Ein tragischer Held: Überall, wo er hinkommt, fühlt er sich an seine Heimat erinnert. Das Fernweh, das ihn plagt, ihn in Sehnsüchten und Hoffnungen auf fremde Welten, andere Perspektiven, Ausweitung seines Horizontes schwelgen lässt, offenbart ihm doch immer wieder nur schon allzu sehr Bekanntes. Und er fragt: Wo aber ist auf einer Kugel das Ende der Welt?

Die Erzählerfigur wird plastisch und lebendig dargestellt; die Geschichte nimmt den Leser mit und führt ihn kurzweilig durch die Handlung. Schade nur, dass die Qualität des Lektorats da nicht mithält: So geht in der Beschreibung Lissabons ein Barrio Alto anstelle des Bairro Alto genauso durch wie eine Praca Camões anstelle der Praça Camões. Lissabon ist portugiesisch, weswegen ich sie auch nicht als Hauptstadt der (spanischen) soledades stehen lasse. Und wenn der Erzähler meint, im Gegensatz zu Lissabon habe Hamburg kein Geheimnis, sei aber berühmt für St. Pauli und die Alsterallee, dann meint er wohl die Elbchaussee oder die Straße "An der Alster", denn besagte Alsterallee ist ein unscheinbares Sträßchen am nördlichen Stadtrand zwischen Wohldorf und Duvenstedt, das nicht mal ein Hamburger Taxifahrer kennt. So etwas müsste dem Autor erspart bleiben, wenn ein Lektorat zuverlässig arbeitet. Oder ist das die literarische Freiheit? Dann wäre ich in der Tat pingelig, aber machen Sie sich am besten einen eigenen Eindruck, indem Sie lesen.

Die Erzählung Volubilis, benannt nach der marokkanischen Kulturstätte, und auch die nachfolgenden drei anderen Erzählungen können es für meinen Geschmack mit der ersten nicht aufnehmen; eher sind es Gedanken und Skizzen, deutlich autobiographisch gefärbt und eher in der Form tagebuchartiger Aufzeichnungen über Erlebnisse und daraus abgeleitete Abstraktionen. Ich erkläre mir diesen Bruch in der Qualität der Geschichten mit der heimatverbundenen Erzählweise Arnold Stadlers: Meßkirch liegt an der Nahtstelle von Jura und voralpiner Moränenlandschaft, und das Flüsschen Alblach entspringt an der europäischen Wasserscheide...

Alles in allem: Für stolze EUR 13,00 hatte ich ein kurzweiliges Lesevergnügen und nachfolgend eine kurze Enttäuschung.





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Portugal-Post Nr. 36 / 2006


Arnold Stadler
Volubilis oder
Meine Reisen ans Ende der Welt
Verlag Edition Isele,
Eggingen 1999. EUR 13,-