Lobo Antunes heavy
Von Peter Koj
António Lobo Antunes ist Portugals markantester zeitgenössischer Autor.
Und der am meisten ausgezeichnete, selbst wenn ihm der Nobelpreis bisher versagt blieb.
Seit seinem Erstling, Memória de Elefante (1979), hat er den portugiesischen Roman
konsequent weiterentwickelt und mit seiner Sprachmagie sich eine Fangemeinde geschaffen,
die sich dank kompetenter Übersetzer weit über Portugals Grenzen verbreitet hat.
Diese sieht sich bei der Lektüre seiner Werke jedoch vor immer größere Herausforderungen gestellt,
denn immer komplexer, vielschichtiger, polyphoner sind seine Romane, immer schwieriger ist es,
eine Handlung im klassischen Sinne auszumachen.
Bei der Übersetzung seines letzten Romans, dem im Jahre 2004 erschienenen Hei-de amar uma pedra
(Einen Stein werd ich lieben) ist die Fragmentierung inzwischen so total, dass Maralde
Meyer-Minnemann sich parallel zum Übersetzen ein eigenes "Drehbuch" anlegen musste,
um den roten Faden nicht zu verlieren. Worum geht es? Um eine Liebesgeschichte der ganz besonderen Art.
Die männliche Hauptfigur wird durchgehend als pimpolho, "Bübchen" bezeichnet,
auch noch im hohen Alter und nach seinem Tod. Dieser ereilt ihn in einem Stundenhotel im
Lissabonner Stadtteil Graça, wo er sich über 50 Jahre mit seiner Geliebten trifft.
Doch die eigentliche Geschichte wird vom Autor nicht direkt erzählt.
Statt dessen webt er einen Teppich von vielen Handlungsfäden, die nicht immer miteinander verknüpft werden,
sondern einen Gesamteindruck vermitteln sollen von den verschiedenen Personen aus dem Leben
des pimpolho. Sie werden selbst zu Erzählern, wie z.B. die alte Näherin, und treten in
Konkurrenz zum Autor und geben ihre eigene Version des Geschehens. Besonders eindrucksvoll
geschieht das im vierten Teil des Buches ("Schilderungen"), wo der Tod des pimpolho
aus der Perspektive verschiedener Personen dargestellt wird. Zurück bleibt ein verwirrter Leser
und ein genervter Autor, der seine eigenen Figuren verscheucht ("... ich werde das Buch selbst schließen, verschwindet,
jetzt ist Schluß.") Heavy stuff selbst für geübte Lobo Antunes-Leser und nicht
unbedingt als Einstiegslektüre zu empfehlen.
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Portugal-Post Nr. 36 / 2006
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António Lobo Antunes
Einen Stein werd ich lieben
Übersetzt von Maralde Meyer-Minnemann
Luchterhand 2006. 24,90 EUR
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