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Spurensuche: Portugal in Indien - Reise-Impressionen

Von Maralde Meyer-Minnemann

In den Jahren 2004 und 2005 hatte ich das Glück, von der bei London lebenden Schwester meiner Mutter zu Studienreisen nach Indien eingeladen zu werden. Die erste Reise führte uns nach Südindien, die zweite in den Norden des Subkontinents. Im Anschluss an die beiden recht anstrengenden Touren haben wir uns ein paar Tage in der ehemaligen portugiesischen Kolonie Goa erholt, die eine knappe Flugstunde südlich von Mumbai liegt, das bis vor kurzem Bombay hieß und dem Vernehmen nach seinen Namen portugiesischen Seefahrern verdankt, die die Bucht, an der später die Stadt entstanden ist, als Bom Bahia bezeichnet hatten. Bombay war übrigen auch eine Zeitlang im Besitz der Portugiesen, bis die Stadt 1661 als Teil der Mitgift der Catarina de Bragança bei ihrer Eheschließung mit Charles II an England fiel.

1. Spurensuche im Laufschritt

Calicut, das seit den neunziger Jahren Kozikode heißt, erreichen wir bei Dunkelheit. Ein deutscher Reiseveranstalter wird keine Wallfahrt an den Strand organisieren, an dem Vasco da Gama 1498 an Land ging, also verlassen wir die Stadt, deren einstiger Hafen versandet ist, deren alter Namen aber im Wort Kaliko, der Bezeichnung für weiße, ungebleichte Baumwolle weiterlebt, gleich nach dem Frühstück in dem auf Kühlschranktemperatur gebrachten Hotelrestaurant (Luxus ist in Indien eiskalt). Ziel ist das auf mehreren Inseln liegende Cochin (Kochi), das wir nach Sonnenuntergang erreichen. (Keine im Vorbeifahren ins Auge springende Spuren Portugals auf dem Weg dorthin).

Als ich am nächsten Morgen früh aus dem Fenster des Hotels auf dem Willingdon Island schaue, liegt Mattancherry Island mit der Altstadt Cochins gegenüber in leichtem Dunst am Wasser. Das Boot mit dem Fischer, der sein rundes Netz auswirft, die alten chinesischen Netze an der Flussmündung, alles wirkt, als sei die Zeit vor hunderten von Jahren stehen geblieben und als läge noch der Duft nach Nelken, Zimt, Kardamom und anderen Spezereien in der Luft.

Doch dann laufen Fischkutter aus, die den portugiesischen traineiras recht ähnlich sehen. Ein rostiger Frachter läuft in den Hafen ein. Eine Fähre überquert den Wasserarm, legt dort an, wohin uns das Programm nachmittags führen wird, am Customs Jetty, dem Anleger bei ehemaligen Zollamt.

Fischer flicken dort ihre Netze. An Marktständen werden riesige Fische zerlegt. Es gibt köstliche Meerestiere. Restaurantbesitzer kaufen für den Abend ein. Über die Church Road geht es vom Anleger zur St. Francis Church. Ich suche nach den Mauern des alten Forts. Doch es gibt nur noch Reste davon in den Gärten kolonialer Villen. Die frisch gestrichene Kirche hieß, als die Portugiesen sie 1503 als einer der ersten Kirchen Indiens bauten, Igreja de Santo António und wurde Vorbild für spätere Kirchenbauten auf dem Subkontinent. 1664, als die Portugiesen ihren Einfluss an die Niederländer verloren, übernahmen diese die Kirche, ihnen folgten 1804 die Engländer. Der Kirchenraum ist schmucklos. Die Stelle, an der Vasco da Gama 1524 begraben wurde (14 Jahre später wurde er nach Lissabon überführt und liegt nun in der Jerónimos Kirche) ist mit seinem Grabstein und einer Absperrung markiert. In den Bogen eingelassen und an die Wände gelehnt gibt es mehrere portugiesische Grabsteine. Doch ich bin die einzige in der Gruppe, die sich für sie interessiert. Als ich mich losreißen kann, ist die Reisegruppe verschwunden.

Fast einen Block weit entfernt hole ich sie bei der Basilica Santa Cruz ein. Ich versuche die Reiseleiterin davon zu überzeugen, einen Blick dort hineinzutun (mein Freund Peter Koj hatte mir gesagt, in dieser Kirche gäbe es eine Seitenkapelle, die ursprünglich von der deutschen Bartholomäusbrüderschaft gestiftet wurde). Sie zeigt sich schon geneigt - doch da stellt sich heraus, dass die Kirche geschlossen ist und erst in ein paar Stunden, zur nächsten Messe, wieder die Pforten öffnen wird. Wir gehen durch ein paar Gassen mit alten kolonialen Gebäuden zurück zum Anleger. Ich sehe sie mir an. Sind da portugiesische Anklänge? Vielleicht. Eine "Quiros Street" gibt es. Ob da ein "e" fehlt?

Die Fähre bringt uns an den alten Lagerhäusern vorbei zur nächsten Station, zum Mattancherry Palace, einen ursprünglich Mitte des 16. Jahrhunderts von den Portugiesen für den Herrscher von Cochin errichteten Palast, der später von den Niederländern umgebaut wurde und heute ein Museum ist. In Sichtweite, gleich hinter einer das Grundstück abgrenzenden Mauer, liegt die Paradesi Synagoge, die aber nur über die zum Judenviertel führende Straße zu erreichen ist.

Deutsche Reisegruppen schlendern nicht. Wandergewohnt schreiten sie schnell aus. Auch bei tropischer Hitze: Auf dem eiligen Weg zur Synagoge schaue ich mir die kleinen, gedrängten kolonialen Gebäude an. Nur die Fassaden. Den Blick ins Innere der Antiquitätenläden, die sie beherbergen, versage ich mir. Es geht an der alten Gewürzbörse vorbei. Keine Zeit, eine Nase Zimt zu erschnuppern. Am Ende der Straße liegt dann die älteste Synagoge Indiens, die der Paradesim oder Weißen Juden, die zumeist sefardischer Herkunft waren und ursprünglich Ladino sprachen. Ich denke an meinen Freund Michael Studemund-Halévy, den Sefardenspezialisten, der mich sicher um diesen Augenblick beneidet... Ich kann nicht einmal eine Geschichte der Synagoge für ihn erstehen. Sie ist ausverkauft. Der schlichte Synagogenraum, dessen Fenster weit offen stehen, ist hell und heiter. Unzählige Lampen hängen von der Decke. Der Boden ist mit blau-weißen chinesischen Fliesen belegt. Gegenüber der Synagoge hat Sarah Cohen ihr Geschäft, in dem sie zauberhafte Smokkleidchen und Stickereien verkauft. Sie erzählt, dass die meisten Juden in den Norden gegangen oder ganz ausgewandert seien, weil sie fast alle beruflich hochqualifiziert seien und in Cochin keine Arbeit fänden. Häufig fehlten Männer um die für den Gottesdienst notwendige Anzahl zusammenzubekommen, aber an Festtagen kämen sie alle "runter". Aus Bombay. Aus Israel. Aus England.

Ich erspähe einen Buchladen, entdecke zum Glück auf den ersten Blick ein Buch über die portugiesischen Handelsbeziehungen Cochins, könnte aber hier ebenso stundenlang verbringen wie in den vielen Antiquitätenläden. Von den Schmuckläden ganz zu schweigen. Ich bin frustriert. Eine halbe Stunde für die kleine, bunte Welt von Jew Town ist wieder einmal nicht genug für mich, obwohl ich mich für einen "Schnellgucker" halte. Ich wäre so gern noch durch die Gassen geschlendert bis hinunter an die Arabische See. Aber die Reisegruppe wartet. Auf dem im Laufschritt zurückgelegten Rückweg zum Versammlungsort der Reisegruppe erstehe ich noch zwei unportugiesische, ganz indische, anmutige Blechvögel, die jetzt auf meiner Fensterbank stehen und mich mit ihrer zarten, verwitterten blauen Farbe an einige der alten Lagerhäuser von Cochin erinnern.

2. Uma casa portuguesa

Der freundliche Empfangschef im Restaurant des Fort Aguada Hotels in Goa heißt, seinem Namensschild zufolge Pereira und begrüßt uns mit Bom dia, als er schwungvoll die Tür aufreißt. Ich antworte ihm schwungvoll auf Portugiesisch, er verstummt: Das sei leider alles, was er auf Portugiesisch sagen könnte. Ich hätte es mir denken können, denn er ist nicht vor 1961 geboren, dem Jahr als Goa in die Indische Union überging. Seine Eltern hätten noch Portugiesisch gesprochen, er habe aber eine englische Schule besucht.

Freundlich, aber im Gegensatz zum rundlichen Empfangschef spindeldürr war Santro, der Fahrer des Taxis, das uns nach Old Goa brachte. Er war nicht nur freundlich, sondern besaß die Geduld eines Heiligen mit der beharrlichen (ehrlich gesagt, leicht hysterischen) Sucherin portugiesischer Häuser. Im Reiseführer1 hatte gestanden: "Im Vergleich zu den Gebäuden Nova Goas (Panjim), von denen die meisten maßstabgetreu verkleinert aussehen, biete das ehemalige Rom des Orients (gemeint ist Velha Goa - Anm. der Autorin) eine faszinierende Reise durch die iberobarocke Architektur an mit seinen großartigen Kirchen, stattlichen Herrenhäusern und breiten Boulevards."

Nach einer beschaulichen Fahrt am breiten, ruhig dahinströmenden Mondovi River, vorbei an Feldern, Dörfern mit dem einen oder anderen bescheidenen "Portugiesenhaus", muss ich, in der ehemaligen Hauptstadt Goas angelangt, dem Reiseführer Recht geben, was die Kirchen betrifft: Sie sind beeindruckend: Die Basílica de Bom Jesus (erbaut 1562-1662), in der der heilige Francisco Xavier in etlichen Metern Höhe in seinem verglasten Silbersarg darauf wartet, in wenigen Wochen nach zehnjähriger Ruhe wieder den Gläubigen gezeigt zu werden. Nebenbei gesagt, schon etwas ramponiert: ein Arm ist als Reliquie in Japan gelandet, ein großer Zeh ist bei so einer Präsentation von einer entrückten Verehrerin abgebissen worden.

Der Convento de Santa Mónica, eines der größten Nonnenklöster des portugiesischen Reiches, liegt fast in Sichtweite und gegenüber die Sé, mit ihren 76 Metern Länge, 35 Metern Höhe und 55 Metern Breite die größte Kirche Asiens. An sie schließt die Igreja de São Francisco an, die heute Archäologisches Museum ist und als eines der wenigen Bauwerke in Indien gilt, in denen manuelinische Stilelemente zu finden sind. Wenige hundert Meter weiter liegt, schneeweiß, frisch renoviert, die Igreja de São Caetano, die Kirche des Theatinerordens, deren Bauplan dem des Petersdoms in Rom entspricht. Von dort ist sind es ein paar Schritte zum Arco do Vice-Rei, einem Torbogen, der von Francisco da Gama (1557-1600) in Erinnerung an seinen Urgroßvater richtet wurde und durch den die Straße hinunter zum Mandovi-River führt, auf dem 1510 Afonso de Albuquerque auf der Suche nach Gewürzen zur Stadt des Adil Shah kam und sie umgehend einnahm.

Von breiten Boulevards kann nicht die Rede sein und von den angekündigten Herrenhäusern keine Spur. Kein Arsenal, kein Inquisitionspalast2. Ich frage beim Fahrer nach Portuguese houses, er schüttelt den Kopf, er kenne keine. Ob nicht etwas weiter im Ort verborgen welche stünden, will ich wissen. Ob wir nicht mal nachschauen könnten, beharre ich. Er gibt sich geschlagen und fährt uns resigniert durch kleine von nichtssagenden Häusern in verwilderten Gärten gesäumte Straßen. Keine Herrenhäuser. Der Fahrer hat Mitleid mit der aufgeregten Memsahib aus Deutschland und fährt sie und ihre britisch gelassene Tante nach Panaji ins Fontainhas-Viertel. Und da sind sie dann, die portugiesischen Häuser, ein ganzes Viertel davon, tatsächlich klein, aber bunt und vertraut.

Ein im Museum erstandener, auf einfachem Papier gedruckter, hektographierter Führer, den ich nach unserer Rückkehr ins Hotel lese, klärt mich auf: Die alte Hauptstadt wurde 1760. aufgegeben. Nach einigen Monsumjahren verfielen die Herrenhäuser, der Palast der Inquisition und die anderen Regierungsgebäude sowie viele weitere dort errichtete Kirchen und wurden zum Materiallager für Bauten im 9 km entfernten, am Meer gelegenen Panaji. Später, beim abendlichen Whisky (medizinische Vorsorge !!) amüsieren meine Tante und ich uns bei der Vorstellung, wie der geduldige Santro seinen Kollegen am Taxistand von der Verrückten aus Deutschland erzählt, die Häuser suchte, die es seit hunderten von Jahren nicht mehr gibt, in Old Goa nicht gibt. Im Süden Goas gibt es viele "Portugiesenhäuser". Und in Chandor, einem kleinen Ort 15 km von Margão entfernt im Süden Goas" steht das größte portugiesische Herrenhaus auf indischem Boden, das Bragança-House.

Der Reiseführer, der mir über Öffnungszeiten etc. hätte Auskunft gegen können, war zu Hause geblieben, also frage ich am Travel Desk des Hotels nach. Die Besitzerin sei eine über 80 Jahre alte Dame, sie empfange nur von 9.30 bis 12.30 Uhr, wird mir dort gesagt. Ich überlege mir noch, ob ich mich telefonisch anmelden soll, beschließe dann aber einfach auf Gut Glück hinzufahren. Meine Tante und ich nehmen diesmal in Benaulim, etwa 10 km von Margão entfernt ein Taxi, das uns durch eine sattgrüne Landschaft mit Reisfeldern; Palmen und üppiger Vegetation führt. Die Gegend ist dicht besiedelt und immer wieder sieht man von der Straße aus schöne portugiesische Kolonialhäuser. Nach einer Dreiviertelstunde (die Straßen sind eng und holprig) stehen wir vor der Casa Bragança mit seiner langen, im ersten Stock von 28 Fenstern mit kleinen Balkons geschmückten Fassade. Ich frage mich noch wie es anstellen soll, "empfangen" zu werden, als aus einem Fenster des Ostflügels ein Mann winkt und uns bedeutet heraufzukommen. Wir steigen eine schmale Treppe, die sich auf halber Höhe teilt und nach einer Kehre rechts und links zur ersten Etage hinaufführt. Die Eingangstür ist schon geöffnet, wir treten ein.

Ein zahnloser Mann empfängt uns mit einem breiten Lächeln und führt uns ins erste Zimmer. Es ist häufig schon nicht einfach, das indische Englisch zu verstehen, aber ein zahnlos gesprochenes indisches Englisch zu verstehen ist eine Herausforderung, der ich nicht ganz gewachsen bin. Kunstvoll geschnitzte Möbel aus Rosenholz stehen im ersten Raum - etwas zu viele. Von dort aus geht es in den Ballsaal, der gerade gefeudelt wird. Das Licht belgischer Lüster spiegelt sich auf dem Boden aus italienischem Marmor. Niedrige Stühle stehen an den Wänden, auf die sich Damen in weit ausladenden Ballkleidern nach einer Gavotte erhitzt sinken lassen konnten. Alle Fenster stehen offen - der Raum ist Luft durchflutet. Wie auch das anschließende Gästezimmer. Auf der rückwärtigen Galerie steht eine alte Sänfte, in der die Senhores einst getragen wurden. Vor allem die Damen - hinter vorgezogenem Vorhang.

Durch einen langen Saal, in dem schöne alte Stücke, kostbare chinesische Vasen beispielsweise, neben viel Trödel herumstehen, Vitrinen mit Strandgut von Gästen gefüllt sind (ein Holstenbier-Öffner findet sich da neben einer alten Nickelbrille), geht es zur Kapelle aus dem 17. Jahrhundert, dessen Altar eine kostbare Reliquie beherbergen soll: einen Zehennagel von Francisco Xavier. Billige, kitschige Drucke hängen an den Wänden; die Jahrhunderte treffen sich.

Als wir auf dem Rückweg zum Ausgang sind, kommt die Dame des Hauses in einem einfachen grauen Baumwollkleid (das gute, alte portugiesische Hemdblusenkleid!) vorbei. Wir wechseln ein paar kurze Worte auf Portugiesisch. Sie ist nicht zu small-talk aufgelegt. Ich wäre es auch nicht, müsste ich um die Pracht vergangener Generationen zu erhalten, mein Haus ausländischen Touristen zeigen. Im Eingangszimmer entdecke ich auf einem Tisch eine Holz- oder Tonarbeit mit dem englischen Satz: Although you'll find our house a mess, come in, sit down, converse, it doesn't always look like this, some days it's even worse. Dona Bragança hat, wie es scheint, Humor! Der zahnlose Guide weist uns diskret auf das Kästchen für den Obolus hin. Wir tragen gern etwas zur Erhaltung des Hauses bei!

Wieder auf dem Treppenabsatz angekommen, fallen mir die in glänzenden Messinglettern geschriebenen Worte "Meneses-Bragança" ins Auge. Es gibt eine weitere, identische Eingangstür links davon. Als ich frage, was dahinter zu finden sei, ist die Antwort: Etwa das gleiche. Das schreckt mich nicht: Ich will "das Gleiche" sehen. Der kleine Mann drückt auf die Klingel, eine Dame mit großer Brille öffnet, bittet uns in bestem Englisch herein und führt uns kundig und alles voller Stolz erklärend durch den Westflügel des Hauses. Auch hier gibt es einen Vorraum mit schönen alten Möbeln, an den sich der Ballsaal anschließt. Wieder Kristalllüster und Marmorboden. Anders als beim Ostflügel, der L-förmig ist, gruppieren sich im Westflügel die Räume um einen Innenhof, auf den auch einige Fenster hinausgehen, die Muschelplättchen als Fensterscheiben haben.

Alles ist sehr gepflegt und geschmackvoll. Stolz zeigt uns die Dame die Bibliothek, (die größte Goas!) und den Schreibtisch von Luís de Meneses Bragança, der Journalist und Vorkämpfer für die Unabhängigkeit Goas gewesen war. Im Speisesaal gibt es einen extra Tisch, an dem der Dessert eingenommen wurde: das große Silbertablett und die Stühle aus Rosenholz tragen die gleichen Ornamente… An den Wänden sind kostbare Fayencen aus China und der Companhia das Índias ausgestellt. Bei den Fenstern, die am Ende eines Flures liegen, stehen niedrige Lehnstühle mit extrem langen Armlehnen. Uns wird erklärt, dass diese Lehnen dazu dienen, die Beine darauf zu legen. Ich nehme an, sie waren den Männern vorbehalten!

Die Dame des Hauses kommt stumm mit einer Häkelarbeit in der Hand vorbei. Unsere Begleiterin macht mich diskret darauf aufmerksam, um wen es sich handelte. "É a Senhora, ela gosta tanto de fazer crochet", wechselt sie ins Portugiesische, und zeigt uns nach dem Gästezimmer auch das der Senhora: Den Bettüberwurf und den Baldachin habe die Senhora gemacht. Es sei alles sehr schwierig heutzutage. Früher hätten sie 14 Bedienste gehabt, heute nur noch 4. Und es folgt das Klagelied portugiesischer Madames: Ach, die Probleme mit Dienern. Sie wechselt dann aber ins Englische zurück, da meine Tante kein Portugiesisch versteht und erzählt, dass die Familie ihr Land, von dessen Erträgen sie gelebt hatte, durch eine Landreform verloren hätten und daher gezwungen sei, das Haus Touristen zu öffnen, um es zu erhalten. Tochter des Hauses sei Meeresbiologin hier in Goa, sie sie käme praktisch täglich vorbei. Der Sohn lebe in Amerika, sie erwarten ihn in den nächsten Tagen. Ich hatte mich schon über die Angestellten gewundert, die auf hohen Leitern mit Federwischen die Decken abstaubten!

Wieder im Eingangszimmer angelangt, weist die Dame auf das Kästchen für den Obolus. Auch hier spenden wir gern. Ich verkneife mir die Frage, in welchem Verwandtschaftsverhältnis sie zur Familie steht. Ich denke, sie ist eine prima! Wir verlassen das kühle Haus. Draußen herrscht gleißende Sonne. Neben der Kirche steht das frisch gekalkte Mausoleum der Familie. Da es die Dame mit der Brille gesagt hat, muss es das der Familie Meneses Bragança aus dem Westflügel sein. Im Ostflügel lebt die Familie Bragança Pereira, wie ich, zurück in Deutschland, in einem meiner Indienführer nachlese.

Heute fällt mir ein, dass ich ganz vergessen habe, der Dame am Travel Desk zu sagen, dass es im Bragança House zwei über achtzigjährige Damen gibt!


1 Nelles Guide, Indien - Der Süden - ich habe es jetzt noch einmal nachgelesen. Während der Reise hatte ich den Führer nicht mitgenommen - nur die Erinnerung an die "stattlichen Herrenhäuser".
2 Einen eindruckvollen Einblick in die Zeit der Inquisition in Goa gibt der Roman "Goa ou o Guardião da Aurora/Guardian of the Dawn" von Richard Zimler.




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Portugal-Post Nr. 34 / 2006





Sehen Sie sich zu diesem Bericht auch die beiden Diashows
Cochin
und
Goa
mit weiteren Fotos von Maralde Meyer-Minnemann an












Cochin, Fischernetze














Cochin, Customs Jetty, Anleger beim ehemaligen Zollamt, im Vordergrund: Fischer beim Flicken ihrer Netze










































Cochin, Innenraum der Paradesi Synagoge































































Goa, Igreja de São Caetano








































Goa, Ostflügel der Casa Bragança von der Gartenseite
















































Goa, Ballsaal im Westflügel der Casa Bragança