.
  Wir über uns    Mitglied werden    Kontakt    Gästebuch


Essa nossa ditosa língua XXII
Kreol

Von Peter Koj

Ist Ihnen das auch schon passiert? Sie hören wunderbare kapverdische Musik, sei es von Cesária Évora, sei es von einem der zahlreichen Vertreter der neueren Generation wie Tito Paris, Leonel Almeida, Celina Pereira, Tété Alhinho, Lura, Maria Alice oder Gardénia, und Sie glauben Portugiesisch zu hören. Erst wenn Sie genauer auf den Text achten, verstehen Sie zwar einzelne Wörter, aber insgesamt bleibt der Sinn unverständlich. Das hat einen ganz einfachen Grund: die kapverdischen Musiker singen nicht auf portugiesisch, sondern auf kreolisch.

Aber was ist Kreol? Es ist der Sammelbegriff für die Sprachen, die sich weltweit bildeten beim Aufeinandertreffen der europäischen Kolonisatoren und der einheimischen Bevölkerung. Es gibt Kreolsprachen auf der Basis von Französisch, von Spanisch und von Englisch, auch Pidgin genannt. Und unter den kreolischen Sprachen auf der Basis von Portugiesisch, dem so genannten Lusokreol, gibt es diejenigen aus Afrika, aus Asien, darunter das Kristang (cristão) aus Malakka, und sogar aus Amerika, wie das Papiamentu der Holländischen Antillen (Curaçao, Aruba etc.) Und zu dem Lusokreol Afrikas gehören neben dem kapverdischen Kreol das von Guiné Bissau, von São Tomé e Príncipe u.a. Und selbst das kapverdische Kreol, auch Kauberdianu genannt, weist je nach Insel zahlreiche Varianten auf.

Aber alle Varianten des kapverdischen Kreol verbindet, dass ihr Wortschatz überwiegend aus dem Portugiesischen stammt, 80 bis 90%, je nach Insel, wobei die restlichen 10 bis 20% afrikanischen Ursprungs sind1. Auch die Kategorien der portugiesischen Grammatik sind übernommen. Es gibt Verben, Substantive, Adjektive, Adverbien, Präpositionen, Konjunktionen, das männliche und weibliche Geschlecht - alles genau wie in der portugiesischen Grammatik. Verwirrend ist jedoch die Tendenz des kapverdischen Kreols, alles das wegzulassen, was vom Zusammenhang her nicht unbedingt notwendig ist. So lässt man normalerweise den Plural weg (z. B. dos amigu "zwei Freunde", txeu cabra "viele Ziegen") oder auch den Artikel. Die Adjektive haben in der Regel nur eine neutrale Form, die für männlich und weiblich gilt. Was für jemanden, der eine germanische Sprache spricht, nichts Neues ist (der junge Mann, die junge Frau; the young man, the young woman).

Am verwirrendsten sind jedoch die Verben, denn es gibt keine Konjugation lateinischen Typs. Statt dessen tauchen die Verben im Infinitiv auf, allerdings ohne das Schluss-r des Portugiesischen (bebê statt beber, pidji statt pedir etc.). Diesem Infinitiv werden einsilbige Partikel beigefügt, die verschiedene Aspekte bezeichnen: ba Vorzeitigkeit, du Passiv, da Vorzeitigkeit + Passiv, ál Möglichkeit, sa Dauerhaftigkeit, ta eine nicht abgeschlossene Handlung. Von diesen Partikeln können maximal drei vor das Verb und eines hinter das Verb gestellt werden. Beispiel: Grógu ál sa ta bebe du manenti, was ungefähr bedeutet "Jetzt soll man Rum trinken". Um sich mit den Unterschieden zwischen Portugiesisch und Kreol ein bisschen vertrauter zu machen, empfiehlt es sich, sich in den interlinear dargebotenen Text der coladeira "Apocalipse" auf S. 18/19 dieser Ausgabe zu vertiefen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Kreol eine afrikanische Sprache mit einem überwiegend aus dem Portugiesischen stammenden Wortschatz ist. Vom Kreol als einem "portugiesischen Dialekt" zu sprechen wäre verkehrt und würde eine Fortführung des bis zum 25. April 1974 herrschenden Kolonialismus bedeuten. Der Begriff "Dialekt" ist nur angebracht, wenn man das kapverdische Kreol in Bezug zu den anderen Ausprägungen des afrikanischen Lusokreol setzt. Oder man kann in Anbetracht der Unterschiede innerhalb der verschiedenen Inseln sogar von verschiedenen Dialekten des kapverdischen Kreol sprechen. Diese Unterschiede sind allerdings auch ein Grund, warum das Kreol trotz seines Status als Nationalsprache, den es gleich nach der Unabhängigkeitserklärung erhielt, es noch nicht geschafft hat, den der offiziellen Amtssprache zu erhalten. Welche der Varianten sollte diese Rolle übernehmen? Alles weist darauf hin, dass langfristig das Kreol von Santiago, der größten Insel, das Rennen macht. Schließlich spricht die Hälfte der in alle Winde verstreuten 600.000 Kapverdianer diese Sprache.

Der andere Grund, warum Kreol nicht Amtssprache ist, ist das Fehlen einer einheitlichen Rechtschreibung und einer Schriftproduktion. Es gibt keine Zeitung auf Kreol, und die kapverdischen Schriftsteller, wie Germano Almeida, bedienen sich des Portugiesischen. Und so ist Kreol nach wie vor mündliche Verkehrssprache, die Sprache der Musik und der informellen Anlässe, während Portugiesisch seinen Platz als Amtssprache behauptet. Es gibt Versuche, das Kreol zur Amtssprache oder zumindest zur zweiten Amtssprache zu befördern. Aber das ist ein langer Weg. Inzwischen existieren die beiden Sprachen friedlich nebeneinander, frei von Konkurrenz, wobei jede ihren besonderen Bereich abdeckt. Was könnte diese Beziehung besser wiedergeben als der Spruch: "Auf Kap Verde ist Portugiesisch die Sprache, die regiert, und Kreol die Sprache, die herrscht."2


1 Von den im Dicionário do Crioulo da Ilha de Santiago (Cabo Verde) versammelten 8.388 Begriffen stammen nur 44 aus dem Afrikanischen. Dieses Lexikon des G. Narr Verlages (Tübingen) wurde vor wenigen Jahren von einer Gruppe der Universität Erlangen-Nürnberg unter Leitung von Jürgen Lang herausgegeben. Es hat den großen Vorzug der Dreisprachigkeit (Kreol-Portugiesisch-Deutsch) und sei den Interessierten wärmstens empfohlen

2 Weitere Informationen im Internet unter:
www.ciberkiosk.pt/arquivo/ciberkiosk5/ensaios/lang.htm,
www.ciberkiosk.pt/arquivo/ciberkiosk5/ensaios/veiga.htm,
www.instituto-camoes.pt/cvc/hlp/geografia/crioulosdebaseport.html,
www.ese-jdeus.edu.pt/projectos/pl2/




| Seitenanfang |





Impressum         Disclaimer
.
Portugal-Post Nr. 30 / 2005