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Umzug nach Portugal

Von Lothar Lind *

Wir hatten uns also entschlossen, nach Portugal zu ziehen. Der Entschluss stand seit 1996 fest, es sollte auch nicht beim Traum bleiben, aber ein paar Jahre hat's bei uns denn schon gedauert, bis alles beisammen war. Zeit genug zum Träumen ... Am 15. März 2003 war's aber soweit - Abschied von Hamburg und ein paar Tage später Abschied von Deutschland. Auch wenn's mal ganz anders kommen kann, Rückkehr ist vorerst nicht geplant.

Und nun sind wir also hier, es ist nicht mehr nur Urlaub, es ist für gut! Wie immer ist nachher alles ganz anders, als man es sich erträumt hat - und wir hatten ja einige Jahre Zeit uns alles zurechtzuträumen... Auch wenn es anders ist, es hat schon was. Es ist anders, manches ist schwieriger als erwartet, manches klappt unerwartet gut. Aber alles ist ungewohnt.

Als wir in Lagos bei der CGD (Sparkasse) unser erstes Konto in Portugal eröffnen wollten, waren gleich zwei der Bankangestellten mit uns beschäftigt. Alles wurde uns genau erklärt und vorgeführt: Die Benutzung der Geldautomaten, Internetbanking, Telefonbanking .. Was für ein Aufwand! In Deutschland bekommt man einen Prospekt, da steht alles drin - Punkt! Hier geht ein Angestellter mit dir zum Automaten und zeigt dir genau, wie es geht! Nur die Schlangen an den Kassen wurden immer länger ... Als die ersten Kunden zu murren begannen, kam von der etwas umfangreichen Dame, die uns bediente, die Empfehlung, sich in der Apotheke gegenüber ein paar Tabletten Geduld zu kaufen. Leichtes Schmunzeln - und das Murren ließ tatsächlich nach!

Wie entspannt auch das Verhältnis der Portugiesen zu dem Parkplatzangebot und vor allem zu den verschiedenen Parkverboten, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Überholverboten und und und ... Obwohl es sauteuer werden kann, wenn man erwischt wird: Eine Abkürzung zu einem gerade frei gewordenen Parkplatz, die allerdings über eine doppelte Mittellinie führte, kostete mich stolze € 49,84! Trinkgeld habe ich keins gegeben!

Sind Portugiesen im allgemeinen hilfsbereit, so mutieren sie (die meisten) zu Monstern, wenn sie sich in Blech und Glas eingehüllt am Lenkrad ihres Autos als den Nabel der Welt sehen. Aber Portugal hat viele Gesichter, der Straßenverkehr ist sicher ein wichtiges, ein hässliches Gesicht, aber eben nicht das einzige. Und natürlich gibt es sie, die hilfsbereiten Portugiesen, die uns mit Gemüse, Kartoffeln, Obst versorgen. Die uns anbieten, bei ihnen zu duschen, weil bei uns noch nichts funktioniert. Und das Ganze ohne Gegenwert zu erwarten! Die Liste kann ich fortsetzen mit hilfsbereiten Verkäufern, die uns zum Mitbewerber schicken, weil der einen bestimmten Artikel günstiger anbietet. Schlitzohren sollen das alles sein?! Also, so ein "Schlitzohr" hat doch glatt mein Vertrauen! Oder war's vielleicht genau das, was er wollte?

Schlitzohren sind auf jeden Fall alle, die mit dem Verkauf von Häusern zu tun haben - und einige geben das auch offen zu. So bin ich jetzt bei dem Teil angelangt, wo wir auf der Suche nach unserem neuen Zuhause sind. Da hatten wir schon so unsere Vorstellungen. Wir waren ja nicht das erste Mal unterwegs in Portugal, um uns Häuser anzusehen. Die wesentlichsten Kriterien hatten wir schon auswendig gelernt. Trotzdem ist es jedesmal ein neues Abenteuer! Die meisten Hütten, die uns angeboten wurden, konnte man ohne zu zögern ablehnen. Das Preisniveau ist hier einfach noch zu hoch! Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis die Preise realistischer werden. Schuld sind nicht etwa "die Ausländer", sondern eher die Portugiesen, die im Ausland Geld verdient haben und nun nach "Hause" zurückkommen und reichlich feist auftreten. Auch Leute aus Lissabon oder Porto zahlen wohl fast jeden Preis.

Ausländer haben da schon weit konkretere Vorstellungen, wie sich Wunschvolumen und Geldbeutelkapazität nivellieren lassen. Auslandsportugiesen klotzen lieber da, wo Ausländer eher kleckern. Und wie sie klotzen; deren Häuser sind teilweise einfach nur monströs! Wir können nur kleckern oder die Warnrufe unseres Geldbeutels ignorieren... Also: Günstig musste es schon sein, groß genug für uns, ein paar Hunde, Katzen, Schafe und Esel. Klar, Hühner und ein paar andere platzsparende Tierchen (Kaninchen, Tauben) sollen auch noch her. Gemüse, Obst muss auch sein. Dann muss Wasser vorhanden sein - ohne Wasser kein Wachstum.

Das andere Problem hier ist in jedem Sommer die Trockenheit und die damit verbundene Brandgefahr. Trockene Sommer kannten wir auch schon - gibt's auch in Hamburg - ehrlich! Selten, aber kommt vor! Hier ist das schon ein wenig anders. Trocken heißt staubtrocken: Ein Regentropfen dringt nicht etwa in den Boden ein, er explodiert! Hinterlässt einen Krater! Dann ist er weg - einfach so! Nass wird der Boden davon nicht.

Uns war also klar, dass wir nicht direkt am Waldrand wohnen wollten. Speziell die hier üblichen Monokulturen aus Eukalyptus und Pinien brennen verflixt gut ... Wir hatten einige Grundstücke gesehen, durch die das Feuer "durch"gegangen war. Das wollten wir nicht auch erleben - aber es kam anders. Unseren Traum haben wir gefunden: Ziemlich genau die Mitte Portugals, unweit der Barragem Castelo de Bode, zwischen Tomar und Abrantes. Eher dörflich, mit Asphaltstraße bis vors Haus. Aber Wald gibt's auch hier, sieht ja auch nett aus ...

Am 2. August war es dann soweit: Irgendein Chaot hatte gedroht, Martinchel (die Gemeinde, zu der wir gehören) brennen zu lassen. An vier Stellen gleichzeitig brachen die Feuer aus. Es hatte lange nicht geregnet, es war heiß und der Wind blies kräftig - beste Bedingungen, um die Feuerwehr in Schwierigkeiten zu bringen. Das Feuer fing denn so gegen 11 Uhr südlich-südöstlich etwa 5 bis 8 km von uns entfernt an. Das war natürlich nicht das einzige Feuer hier, seit mindestens einer Woche ging das so. Dieses Feuer wurde vom Wind auf uns zu getrieben. Gegen 16 Uhr war es dann bis zur Hauptstraße vorgedrungen. Die Gegend, aus der das Feuer kam, ist ziemlich unwegsam; Straßen gibt es keine, die Feldwege führen nur zu Häusern, für die Feuerwehren eine schwere Aufgabe. Aber die Feuerwehren funktionieren hier recht gut, trotz der großen Zahl der Brände und dem damit verbundenen Dauerstress arbeiten die Leute ruhig und zielstrebig. Dabei sind's fast alle nur freiwillige Helfer, die nicht wirklich entlohnt werden! Die Ausrüstung ist eher dürftig.

Gerade wenn ich wie Ende Oktober von den Bränden in Kalifornien höre, in einem derart reichen Land! Ich glaube, die Leute hier sind einfach besser motiviert. Die haben es dann auch geschafft, das Feuer an der Strasse aufzuhalten. Auf dieser Seite der Straße gibt es Mischwald mit Orangenbäumen und Gärten. Auf unserer Seite stehen zwei große Pinienwälder. Die waren nicht betroffen, noch nicht. Der Wind drehte ein wenig, und das Feuer marschierte weiter an der Straße Richtung Südwest, sprang dann (durch Funkenflug) auf unsere Seite, westlich von uns, weiter Richtung Nord. Dort sind durch die Sommerhitze vertrocknete Felder. Innerhalb 5 Minuten war das Feuer dann 500m weiter gekommen, es gab Explosionen, zwei Traktoren und Dieseltanks waren betroffen. Das Ganze nur 300m von uns entfernt.

Nebenbei: seit Mittag war der Strom hier weg, wir konnten also auch unsere Pumpe nicht laufen lassen. Leitungswasser tröpfelte zunächst nur lustlos aus der Leitung, dann war's ganz weg. Wasser, um einen Teil des Grundstücks nass zu machen, gab's nicht! Die Feuerwehren pendelten mittlerweile zwischen der nahen Talsperre und hier hin und her, da inzwischen auch der Feuerlöschtank leer war. Der Wind blies schon die ganze Zeit ziemlich stetig aus Süd bis Südwest; so musste das Feuer an uns vorbei laufen. Das tat's auch einige Zeit. Ab 22 Uhr lief alles aus dem Ruder. Dazu muss ich sagen, dass auch die Gegend nördlich von uns nicht erreicht werden kann, alles zu unwegsam. Das Feuer fraß sich durch einige größere Pinienwälder nordöstlich von uns, hatte uns also schon zu drei Vierteln umrundet. Aber es hat dann doch noch einen Ableger zu uns geschickt.

So um Mitternacht war klar, dass wir nicht verschont werden würden. Es gibt (gab) etliche Brombeeren auf unserem Grund, die seit Jahren nicht mehr geschnitten worden waren. Das Gestrüpp war in die Bäume gewachsen und ragte oben aus diesen heraus. Nun, was soll ich sagen, die Haufen Gestrüpp gibt's (fast) nicht mehr. So etwa die Hälfte des Gründstücks stand in Flammen. Wir waren völlig hilflos, ohne Wasser, nur mit Ölbaumzweigen bewaffnet ... Keine Chance! Die Feuerwehr kam noch rechtzeitig, um unser Haus zu schützen mit all dem Umzugsgut drin. Soweit ist alles noch ganz gut abgelaufen. Auf den Camper, immerhin mit Gas bestückt, hatte ich noch unsere ortsfeste Gasflasche und unsere Benzinvorräte fürs Stromaggregat und die Motorsense aufgeladen, um nicht auch noch eine Explosion im/am Haus zu haben. Damit sind wir dann immer dahin gefahren, wo es gerade nicht brannte ...

Wir haben dann zwischen 4 und 6 Uhr morgens schlafen können, dann ging's wieder los: der obere westlichere Teil des Grundstücks hatte Feuer gefangen. Wohl auch durch Funkenflug, kleinere Feuer gab es ja noch genug. Es war keine richtige Feuerwache eingerichtet, aber niemand konnte richtig schlafen, einige geisterten die ganze Nacht herum. So wurde dieses Feuer entdeckt. Löschen konnte man nicht; wir haben nur ein Übergreifen auf die Nachbargrundstücke verhindern können. Das Ganze immer noch ohne Wasser, denn Strom hatten wir erst zwei Tage später wieder.

Die kleinen Feuer, die immer wieder auflodern oder nur still vor sich hinkokeln, sind Wurzeln von Bäumen, die teilweise schon vor Jahren gefällt wurden. Die Baumstümpfe fangen Feuer, und das kokelt manchmal durch die Wurzeln hindurch und taucht an anderer Stelle wieder auf. Das sind dann aber nur kleine Feuerchen - jedenfalls solange sie keine weitere Nahrung finden, und Nahrung gibt's nicht mehr viel ...

Inzwischen ist unsere Umgebung ziemlich abgeholzt. Holz ist billig. Wird es nicht gefällt, machen sich etliche Tierchen darüber her, und es wird wertlos. So gibt es hier eine Holzschwemme. Da seit Herbstanfang reichlich Regen gefallen ist, wächst auch wieder einiges auf dem schwarzen Boden. Unterm Strich ist alles glimpflich für uns abgelaufen. Durch das gemeinsam Erlebte sind auch Kontakte zu den Nachbarn entstanden.

Hat sich's denn nun gelohnt, der Umzug, die Suche nach einem neuen Zuhause, die Ungewissheit und all das Drumherum? Wir sind davon überzeugt! Ja, wir haben das Richtige getan! Uns war schon klar, hier und da werde es Schwierigkeiten geben. Die gab's dann auch. Manchmal stand es bis Oberkante Unterlippe! Das gab's aber in Deutschland auch. Nein! Zurück wollen wir nicht!


* Lothar Lind ist der Ehemann von Cornelia (Conny) Lind, die jahrelang PHG-Referentin für Soziales war. Sein Bericht stammt vom Oktober 2003




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Portugal-Post Nr. 29 / 2005


Cornelia Lind mit Susanne Gröpper




Vorderansicht des Hauses von Conny und Lothar Lind




Blick vom Grundstück der Linds aufs Nachbarhaus. Die Flammen rücken bedrohlich näher!