.
  Wir über uns    Mitglied werden    Kontakt    Gästebuch


Die Bartholomäus-Brüderschaft

Von Ingeborg Loether-Tomás *

Sie ist die erste Gruppe von Deutschen gewesen, die sich zu einer religiös-sozialen Vereinigung zusammenschloss. Nachweisbar ist sie schon im 13. Jh., zur Zeit des 4. Kreuzzuges. Manche Kreuzfahrer zogen es vor, anstatt die lange und gefahrvolle Reise nach Palästina fortzusetzen, in dem wirtlichen Portugal zu bleiben. Sie siedelten sich in Lissabon und Umgebung an, wo man ihnen als Belohnung für ihre Dienste reichlich Land zur Verfügung stellte.

Als dann ruhigere Zeiten eintraten und sich Handel und Verkehr entfalten konnten, kamen später auch deutsche Kaufleute und Handwerker hinzu, so vor allem unter der Regierung des Königs Dinis (1279-1325), unter dem das Land einen allgemeinen kulturellen Aufschwung nahm. Handel und Schifffahrt blühten auf, der Ackerbau entwickelte sich, Recht und Verwaltung wurden ausgebildet, und der Hof des Königs wurde zu einer Pflegestätte von Wissenschaft und Dichtkunst.

Ein hanseatischer Kaufmann namens Overstädt - portugiesisch Sobrevila - erbaute auf einem Holzplatz am nördlichen Tejoufer, an der Stelle der heutigen Praça de Município, eine dem Hl. Apostel Bartholomäus geweihte Kapelle. An derselben Stelle wollte dann später der König eine größere Kirche zu Ehren des Hl. Julião errichten. Er bot dem deutschen Kaufmann ein anderes Grundstück an und verpflichtete sich, eine Seitenkapelle zu Ehren des Hl. Bartholomäus zu bauen. Diese neue Kirche wurde 1290 (1291?) vollendet. Dies gilt als das Gründungsjahr der Bartholomäus-Brüderschaft.

Der Hauptzweck der Brüderschaft war zunächst die Pflege religiöser Pflichten. Durch ein königliches Privileg hatte die Brüderschaft 1593 das Recht auf einen eigenen Friedhof erhalten. Die portugiesischen Könige übertrugen der Brüderschaft die Fürsorge für hilfsbedürftige Deutsche und ließen ihr dafür die Einnahmen aus einer Abgabe zukommen, mit der die Ladung deutscher Schiffe belegt wurde. Außerdem gab es Einnahmen aus Stiftungen, wie z. B. einer des Kaufmannes Jaques Coster, welcher der Brüderschaft ein Landgut in Oeiras und Häuser am Rossio vermachte. Dazu kamen Strafgelder von Brüdern, die sich eines sittenlosen oder ungehörigen Lebenswandels schuldig gemacht hatten.

Im Zeitalter der Entdeckungen, in dem die Portugiesen die erste Rolle spielten, verstärkten deutsche Seeleute die Besatzungen der Schiffe und deutsche Bombardiere dienten auf ihnen als Artilleristen und Büchsenschützen. Sie hatten sich, wie im Mittelalter üblich, zu einer Brüderschaft, Confraria dos alemães bombardeiros, zusammengeschlossen. Durch den Bischof wurde ihnen mit der Bartholomäuskapelle der siebente Teil der S. Julião-Kirche zugesprochen, für deren Unterhalt sie sorgen mussten. Sie erhielten aber auch den Nachlass verstorbener Bombardiere, soweit keine Erben vorhanden waren.

1495 erhielten die Bartholomäus-Brüder vom König das Privileg, ein Hospital zu unterhalten, in dem elf Jahre später der berühmte Kosmograph Martin Behaim die letzten Tage seines Lebens verbrachte. Die Zeit nach der Reformation brachte eine langsame Säkularisierung der Bartholomäus-Brüderschaft, die nun auch geachtete und wohlhabende Protestanten aufnahm, wie z. B. den Kaufmann Johann Schulte, Sohn des Hamburger Kaufmanns gleichen Namens. Schulte war 1680 nach Lissabon gekommen, um sich dem Im- und Exportgeschäft zu widmen. Er erlangte im Laufe der Jahre ein solches Ansehen, dass ihn die Vereinigung der Schuhmacher 1685 als unparteiischen Außenstehenden zum "Judex und Richter" wählte.

Das Erdbeben vom 1. November 1755 wirkte sich auch für die Brüderschaft als Katastrophe aus. Die katholischen Mitglieder, die sich in ihrer Kapelle nahezu vollzählig zur Allerheiligen-Messe versammelt hatten, wurden unter den Trümmern begraben. Bis 1810 war die Kirche wieder aufgebaut, 1816 erneut durch einen Brand zerstört. 1935 wurde das Gebäude in den Komplex der Bank von Portugal integriert und 1939 als Kirche geschlossen.

Ende des 18. Jh. umfasste die deutsche Kolonie in Lissabon etwa 1.000 Personen. Eingedenk ihrer Aufgabe, notleidenden Deutschen in Lissabon zu helfen, gründete die Brüderschaft Ende 1799 erneut ein Hospital für deutsche Seeleute. Mit dem Eintritt Portugals in den Weltkrieg 1916 wurde aller deutscher Besitz beschlagnahmt bis der wesentliche Teil 1922 zurückgegeben wurde. Darunter befand sich auch ein Gebäudekomplex am Rossio mit Ladengeschäften und einem Hotel. Im Jahre 1926 wurde das Grundstück in Palhavã (Praça de Espanha) erworben, 1930 ein Krankenhaus eröffnet.

In der Zeit nach 1933 mussten unter dem Druck der NSDAP Mitglieder jüdischer Abstammung ihren Austritt erklären und Parteimitglieder mussten ohne Wahl aufgenommen werden. Trotzdem wurde die Arbeit weitergeführt, bis 1945 die alliierten Siegermächte den portugiesischen Staat veranlassten, alles deutsche Eigentum einzufrieren. Nach zwölf Jahren wurde das deutsche Vermögen zurückgegeben; aber die Stadt beanspruchte das Grundstück in Palhavã.

Die Bartholomäus-Brüderschaft erfüllte und erfüllt weiterhin ihre selbst auferlegten sozialen und kulturellen Verpflichtungen:

  • Gewährung von Unterstützung und Ausübung der Wohltätigkeit in der Gemeinschaft der Deutschen, die in Lissabon wohnen, ungeachtet ihres religiösen Glaubens oder ihrer politischen Einstellung
  • Sicherstellung des Betriebs des Deutschen Krankenheims
  • Förderung des deutschen Unterrichts
  • Beistand für religiöse Kulte
  • Schaffung irgendwelcher Organisationen, die ihren Zwecken dienen
  • Allgemein die geldliche Unterstützung irgendwelcher Unternehmungen, die für die deutsche Gemeinschaft in Lissabon nützlich sind, so z. B. 1953 die Errichtung der deutschen Schule in Estoril, 1975 eines Seniorenheims in Restelo, das inzwischen in ein ehemaliges Hotel in Estoril umgezogen ist und ein Grundstück für einen Erweiterungsbau erworben hat, so 1989 durch einen Anteil am Neubau von Kapelle und Wärterhaus auf dem deutschen Friedhof, weiterhin durch monatliche Rentenzahlungen an bedürftige Mitbürger und regelmäßige Spenden an den deutschen Hilfsverein.


* PHG-Mitglied Ingeborg Loether-Tomás ist ehemalige Lehrerin der Deutschen Schule Lissabon und lebt in Loures bei Lissabon




| Seitenanfang |





Impressum         Disclaimer
.
Portugal-Post Nr. 27 / 2004


Seniorenheim in Estoril




Wappen der Bartholomäus-Brüderschaft auf der Markise des Seniorenheims in Estoril