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O Rei-Artista

von Renate Petriconi *

So nennt ihn das portugiesische Volk. Die Rede ist von Ferdinand August Franz Anton von Sachsen-Coburg-Koháry, König von Portugal, bekannt als Fernando II.

Er wurde 1816 als ältester Sohn von Herzog Ferdinand Georg August von Sachsen-Coburg und Gotha und seiner Gemahlin Prinzessin von Koháry in Wien geboren und mit achtzehn Jahren 1836 mit der jungen Witwe Königin Maria II. von Portugal verheiratet. Zur Geburt des Thronfolgers Pedro (1837), dem späteren Pedro V, verlieh man ihm den Titel "König von Portugal". Ferdinand und Maria sollen sich, was in königlichen Kreisen durchaus nicht selbstverständlich war, geliebt und respektiert haben. Bis zu Marias frühem Tod 1853 hatten sie noch zehn gemeinsame Kinder. Stellvertretend bis zum Regierungsantritt des Thronfolgers war Ferdinand bis 1855 Regent. 1869 heiratete er die Schweizer Opernsängerin Elisa Hensler, die dann zur Condessa de Edla ernannt wurde.

Schon bald nach Ferdinands Ankunft in Lissabon zeigte sich sein großes, fast schwärmerisches Interesse an der portugiesischen Kultur. Er blieb zwar immer "Der Ausländer" oder, wie der zeitgenössische Schriftsteller Francisco Hipólito Raposo zu sagen pflegte, português de luxo, vermochte sich jedoch mit den Belangen seiner Wahlheimat in einem solchen Maße zu identifizieren, wie es ein Portugiese nicht besser hätte machen können. Er wurde Präsident der Real Academia das Ciências und des Conservatório Real, gründete 1836 in Lissabon die königliche Academia de Belas-Artes, an der die meisten zeitgenössischen Maler ausgebildet werden sollten, und im gleichen Jahr folgte die Academia Portuense. Darüber hinaus war er Schirmherr der Universität von Coimbra. Aus eigenen Mitteln vergab er Stipendien an die portugiesischen Maler José de Brito, Francisco Resende und Columbano Bordalo Pinheiro zur Weiterbildung in Paris. Es war ihm ein besonderes Anliegen, "seine" Landsleute mit der einheimischen Kunst vertraut zu machen. So veranstaltete er Ausstellungen, erwarb zeitgenössische Gemälde und schuf den Grundstock für die Sammlungen des Museu Nacional de Arte Antiga in Lissabon.

Heute kaum fassbar ist, dass es ohne sein beherztes Eingreifen in Folge der Säkularisierung (1834) nur noch Reste der großartigen, von uns allen so bestaunten Klöster von Batalha, Jerónimos, Mafra und Tomar, des Turmes von Belém sowie der Kathedrale von Lissabon gäbe. Die durch den Bürgerkrieg der Jahre 1832-34 geschwächte, neu formierte Regierung war damals mit der ungeheuren Menge der auf sie gekommenen Kulturgüter völlig überfordert, beziehungsweise es fehlte an Fachkräften und am historischen Verständnis. So hatte man zwar Großteile der beweglichen, sakralen Objekte magaziniert, das heutige Nationalheiligtum Mosteiro de Santa Maria da Vitória in Batalha jedoch als Steinbruch veräußert! Nach dem Besuch dieser dem Verfall anheim gegebenen Kulturstätten richtete er staatliche Behörden für die Instandsetzung ein, erwarb Teile der bereits verkauften Steine zurück und unterstützte die Restaurierung aus eigenen Mitteln.

Ferdinands Interesse galt auch dem Forstdienst und Gartenbau. Er finanzierte persönlich den Anbau seltener Pflanzen aus aller Welt in botanischen Gärten und konnte den fähigen österreichischen Biologen Friedrich Welwitsch 1839 für die Direktorenstelle des Gartens in Ajuda (Lissabon) gewinnen. Sein Kammerdiener Wenceslau Cifka, der ihm auch Zeichenunterricht erteilte, forstete unter seiner Leitung das Sintra-Gebirge mit exotischen Pflanzen neu auf. Der Besucher von Sintra kann sich noch heute an den reich bewaldeten Hängen erfreuen und im Frühjahr im berauschenden Duft der Magnolien und Kamelien zum Palácio da Pena hinaufsteigen.

Ferdinand war ein typischer Vertreter der Romantik und fest davon überzeugt, dass die Erhaltung der Architektur der Vergangenheit nur unter der strikten Sichtweise der Ideologie des Kulturerbes möglich sei. Es verwundert nicht, dass unter diesem auch von den damaligen Historikern, Essayisten, Denkern und Dichtern getragenen Bewusstseinswandel der von ihm finanzierte Palácio da Pena in Sintra im neo-manuelinischen und neo-maurischen Stil mit mittelalterlichen Formen auf den Resten des 1503 erbauten Hieronymiten-Klosters Nossa Senhora da Penha, später da Pena, entstand. Das über drei Jahrhunderte von den Mönchen bewohnte Kloster wurde 1743 durch Blitzeinschlag, 1755 durch das Erdbeben und Anfang des 19. Jahrhunderts durch französische Invasionstruppen zerstört. Ferdinand erwarb die Ruine und das umliegende Gelände 1838 und entschied sich in der zweiten ab 1840 begonnenen Bauphase unter dem Einfluss des Architekten Baron von Eschwege, die Anlage in einen romantischen Burgpalast umzugestalten. Von Eschwege erstellte den Gesamtplan und erarbeitete die Gestaltung des 200 Hektar großen Parks. Die Leitung des Palastbaus hatte dann der italienische Architekt und Bühnenbildner José Luís Cinatti. Die Arbeiten dauerten bis zum Tode Ferdinands (1885).

Der Palast gilt als ein vielfach umstrittenes Musterbeispiel der Romantik in Portugal, bei dem jedes dekorative Element wie der Ost- und Westfassade voll mythologisch-magischer Formen gestaltet ist. Ferdinands Ideen und eigene Zeichnungen, wie die Nachbildung des Fensters des Christusritterklosters in Tomar in Negativform, flossen mit in die Planung ein. Ferdinand scheute keine Kosten, so ließ er die Kirchenfenster der Kapelle 1848 in Nürnberg anfertigen und die Sala Verde mit modernen französischen Papiermâché-Möbeln ausstatten. Hier empfing das Königspaar bedeutende Künstler aus der ganzen Welt und auch Richard Strauss zeigte sich von der Gesamtanlage beeindruckt.

Er war nicht nur Mäzen, sondern gab den portugiesischen Künstlern Anregungen und widmete sich als Autodidakt mit beachtlichem Talent der Malerei und Grafik. Die Fundação da Casa de Bragança im Paço Ducal in Vila Viçosa hat einen Bestand von 31 Radierungen aus den Jahren ab 1837-63, unter denen das Blatt "Feira de Cavalos"(Abb.3) von 1840 mit bewegter, fein ausgeführter Randleiste mit effektvollem tiefen Schwarz in den Schattenpartien besonders bemerkenswert ist. Ferdinands Œuvre dürfte bis 1860 etwa 100 Blatt umfasst haben, die sich umrahmt durch erfindungsreiche Vignetten und Randleisten-Zeichnungen mit zierlichen Kostümfiguren, spielenden Kätzchen zu E.T.A. Hoffmanns Kater Murr und Rankenwerk auszeichnen. Er kopierte die barocken Tiermaler Paulus Potter oder Karel DuJardin, fertigte nach der Natur gezeichnete Tierstudien an und widmete sich immer wieder Kinder- und portugiesischen Genreszenen, Erinnerungsbildern aus der Jugendzeit, phantastischen Märchendarstellungen, Karikaturen des Lissabonner Hoflebens und vereinzelt auch Porträts. Das entwickelte Geschichtsbewusstsein, in dem der Mensch und die Natur eine innige Beziehung eingehen, wurde von ihm wiederholt thematisiert.

Seine Regentschaft in den Jahre 1853 bis 1855 zeichnete sich nicht durch Fortune aus. Für die zeitgenössischen portugiesischen Politiker war Ferdinand als Generalmarschall des Heeres schwer verständlich, denn er war, getreu seinem Wahlspruch "Paz e união entre todos os portugueses" ("Friede und Eintracht zwischen allen Portugiesen") immer um Ausgleich der zerstrittenen Parteien bemüht. So zögerte er über lange Zeit ein militärisches Eingreifen in die Auseinandersetzungen der Parteien des Generalstabs Herzog von Saldanha und dem Staatsminister Conde de Tomar hinaus. Portugal sollte nicht, wie Teile des übrigen Europas, erneut unter den Folgen blutiger Aufstände leiden. Dies wurde ihm vielfach als Schwäche ausgelegt, ja der Karikaturist, Künstler und Kritiker Rafael Bordalo Pinheiro sah in ihm gar einen "Zé Nabo", einen Hanswurst.

Ab 1871 zog sich Ferdinand vollständig von der Politik zurück und widmete sein Leben nur noch der Kunst. Neben seiner vielseitigen Tätigkeit als Maler, Aquarellist, Zeichner und Bildhauer experimentierte er zwischen 1878-84 unter Anleitung Cifkas mit der Keramikmalerei. Es entstanden etwa 30 Zierteller und Deckelvasen mit teils humoristischen Tierszenen, die dann bei der Fábrica de Louça de Sacavém in Lissabon gebrannt wurden (heute: Lissabon, Palácio Nacional da Ajuda; Sintra, Palácio Nacional da Pena; Vila Viçosa, Paço Ducal).

Die kulturhistorische Entwicklung des 19. Jahrhunderts ist in Portugal ohne Ferdinands Mäzenatentum und seine Umsicht für die historischen Denkmäler kaum denkbar. Auch wenn uns die phantastische Märchenwelt des Palácio da Pena ein Schmunzeln entlockt, verdient sein Engagement Achtung und Anerkennung.


* PHG-Mitglied, Redakteurin für portugiesische Kunst des Projektes Allgemeines Künstlerlexikon des Saur Verlages und Redakteurin des Brockhaus Verlages.




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Portugal-Post Nr. 26 / 2004


Abb. 1
Die Medaille von 1852 zeigt Königin Maria II und Fernando II (Palácio Nacional da Ajuda, Lissabon)




Abb.2
Der Palácio da Pena, zeitgenössische Lithographie von João Pedro Monteiro (Paço Ducal, Vila Viçosa)




Abb. 3
Feira de Cavalos, Radierung von Fernando II aus dem Jahre 1840 (Paço Ducal, Vila Viçosa)