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Der Elefant und das Nashorn

Von Peter Koj

Was hat ein Restaurant in Tirol, das Hotel Elephant, zu tun mit dem Turm von Belém einerseits und dem deutschen Maler Albrecht Dürer andererseits? Die Verbindung zwischen diesen drei offensichtlich so unterschiedlichen Phänomenen führt uns zurück bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, als König D. Manuel I in Portugal regierte. Gute Zeiten warten das damals, als die portugiesische Nation dank ihrer maritimen Aktivitäten auf dem Höhepunkt ihrer Macht und ihres Ruhmes stand. Aus den Ländern, welche sie in Afrika, Asien und Amerika ansegelte, brachten die portugiesischen Schiffe große Reichtümer zurück, darunter auch ein Nashorn. Es hieß Ganga und war ein Geschenk von Afonso de Albuquerque an seinen König, der dieses ungewöhnliche Schoßtier im gerade erbauten Turm von Belém hielt, dem Startplatz von Vasco da Gama und anderer portugiesischer Seefahrer.

Die Nachricht von der Anwesenheit des Dickhäuters gelangte über portugiesische Freunde bis zu Albrecht Dürer. Ihre Beschreibung diente ihm als Grundlage für den berühmten Stich von 1515, der ein überraschend echtes Konterfei bietet und folgendermaßen überschrieben ist: "Nach Cristie geburt/1513 Jar Adi 1. May Hat man den großmechtigsten König Emanuel von Portugal/gen Lysabona aus India pracht/ain solch lebendig Thier, das nennen sie Rhinocerus/Das ist hie mit all seiner gestalt abconterfect. Es hat ein farb wie ein gespreckelte schildkrot/und ist von dicken schalen uberleget sehr fest/und ist in der größ als der Heliffant..."

Die friedlichen Tage von Ganga waren gezählt, weil der König, ein Freund großer Darstellungen, ein Kampf zwischen dem Nashorn und einem Elefanten veranstalten ließ, um zu sehen, welches der beiden Tiere das stärkere sei. Die Chronisten berichten, dass der Zweikampf vor dem Hieronymus-Kloster stattfand, wobei das Nashorn Sieger blieb, denn der Elefant ergriff feige die Flucht. Der König Manuel beschloss, Ganga seinem großen Freund, dem Papst, zum Geschenk zu machen (es darf daran erinnert werden, dass dieser in dem berühmten Vertrag von Tordesillas von 1494 den Portugiesen die Hälfte der damals bekannten Welt überließ). Aber das Schiff, mit dem Ganga transportiert wurde, kenterte vor der italienischen Küste.

So wurde also beschlossen, dem Papst den Elefanten zu schenken. Der König misstraute den Seefahrerkünsten seiner Untertanen und entschied sich für den (langen!) Landweg nach Rom. Und so zogen sie los: der Elefant, seine indischen Wärter zu Fuß und eine portugiesische Gesandtschaft, die es sich - natürlich - in einer Kutsche bequem machte. Da sie aber finanziell eher knapp ausgestattet waren, sahen sich diese Hannibale der Neuzeit sehr bald großen Versorgungsproblemen gegenüber. Mit akrobatischen Darbietungen besserten sie ihr Budget auf. Auf halber Strecke, genauer gesagt in Brixen (Tirol) waren sie total abgebrannt. Die Stadtverordneten versprachen, ihnen die Rückfahrt zu finanzieren, wenn der Vierbeiner geschlachtet würde.

Gesagt getan. Armes Tier, aber zumindest der Wirt des Gasthauses vor Ort holte sich eine goldene Nase, da er über längere Zeit saftige Elefantenfleischgerichte anbieten konnte, wobei die vom Rüssel besonders geschätzt waren. Nach wie vor ist es eins der besten Restaurants zwischen Deutschland und Italien. Elefantenfleischgerichte finden sich zwar nicht mehr auf der Speisekarte, aber die Linsen-Mousse auf Gemüse-Carpaccio, die Bachforellenfilets auf Spargel-Ruccola-Salat und das gebratene Spanferkel sind berühmt. Wenn Sie dort mal vorbeikommen (hier ist die Adresse Hotel Elephant, Weisslahnstr.4, I-399000 Brixen, Tel. 0471/83 27 50) können Sie auch das Emblem auf der Fassade bewundern: ein prächtiger Elefant zwischen zwei Palmen.

Weniger Glück hatte das Konterfei von Ganga. Ich spreche nicht von dem Dürerschen Stich, der nach wie vor als ein Meisterwerk des deutschen Malers gilt, sondern vielmehr von dem Nashornkopf am Turm von Belém selbst. Er ziert das rechte (vom Hieronymuskloster aus gesehen) Ecktürmchen. Aber unglücklicherweise ist man ihm bei der Reinigung mit einem für den weichen Sandstein zu kräftigen Sandstrahlgebläse zu Leibe gerückt, so dass er fast unkenntlich ist. Als ich ihn bei meinem letzten Besuch sah, war ich richtig geschockt, denn er ähnelt eher der berühmten Sau von Murça!

Aber es wurde ihm ein anderes Denkmal errichtet, diesmal ein literarisches, und zwar von dem englischen Schriftsteller Lawrence Norfolk. 1996 veröffentlichte der Minerva Verlag The Pope's Rhinoceros, ein historischer Roman, der weit ausholt (753 Seiten!) und der die sagenumwobene Stadt Vineta zum Ausgangspunkt, die nicht weit von uns (Usedom) im Meer versunken ist. Die portugiesische Übersetzung (O rinoceronte do papa) von Carmo Vasconcelos Romão (2000 bei Planeta erschienen) zählt immer noch fast 600 Seiten und kostet die Kleinigkeit von € 45. Aber demjenigen der Ausdauer für diese Art von Buch hat (ein anderer Wälzer des Autors, Lemprière's Dictionary, war noch erfolgreicher), empfehle ich die Lektüre, erzählt es doch eine packende und facettenreiche Geschichte, die ich hier nur in wenigen Zeilen skizzieren konnte.





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Portugal-Post Nr. 25 / 2004


Hotel Elephant in Brixen/Tirol




Darstellung des Nashorns an der Torre de Belém




Zur Titelgestaltung des Buches von Lawrence Norfolk diente die "Rhinocerus"-Radierung von Albrecht Dürer aus dem Jahre 1515