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LISSABON

Von Ferdinand Blume-Werry
für Al Berto (1948-1997)

Was bringt dir der Film äußerer Bilder den wir die Welt nennen?
- Fernando Pessoa, Lisbon revisited (1926) -

sage jetzt nichts wenn der lehm
unter der zunge den sätzen
das wasser entzieht und die tabletten
ihren goldenen sand
in entlegendste winkel
des körpers schwemmen, sage nicht
eine landschaft treibe in dir
durchwandert von herrenlosen hunden
die dich anflehen
um das flüstern der zahl ihrer leben.

sage du lebst am meer
das am ende der avenida sich auftut
mit gespenstischen giften
und mit der hoffnung auf schlaf
dieser verbannung der sinne
in ferne provinzen.

alles ertrank, erstickte
oder ging in flammen auf
während sich dein mund mit knochen
füllte, kein brief
sich mehr zu schreiben lohnte
und der singsang feuchter atlantischer nebel
durch deine adern strich.

die turmschwalben
kehrten nie wieder und die orakelnde
hitze über den inseln
hielt dich gefangen in der stadt
mit ihren weißen
verführungen, jenseits wie der ponto final
wo die sonne desertierte und du
an den krieg dachtest
der grau unter den baldachinen
die abgelaufene zeit betäubte.

sage wie es ist
die angst - ein schwarzes buch
das auf den kellerabgängen
von alcântara
verkauft wird wo all die todbringenden
freuden heimlich
den besitzer wechseln
und dein schreiben ein weißes tuch
auf dem der aufruhr des lichts
in den platanen tobt.

nichts bleibt
wenn du aufwachst
mit einer handvoll verzweifelter
silben, nichts
nur die näherrückenden
bäuche der tejofähren
die algenbehangen seltsame laute
in den strom schrauben.

aber du magst die nacht
die bernsteinkugel
des mondes
wenn er in den kernschatten
der erde tritt, diese stunde
perfekter täuschung
nach einem tag aus zermahlenem glas
an dem der blauregen
über die stufen zum meer stieg
und die nackten balkone
vor den fassaden
in die unerbittlichkeit des juni
brannten.

du dachtest
an weite ebenen, an die
lärmende asche der augen
auf der suche nach einem gesicht -
die gassen
aber leuchten in den morgen
still und die stadt
kippt ihre farben wie ein schmerzmittel
in dich.

bis zum ersten wort
reicht die erinnerung, bis auf
dunkle strände
mit ihrem sandgedächtnis aus haut
und berührungen.

doch der wind
hat die markisen vor dem café
verlassen - in den fugen
des kopfsteinpflasters sterben
die schatten.

was bleibt
ist das inferno der vögel
über der praça
der tägliche schrecken
und die heimsuchung der bilder
die immer schritt halten
mit der traurigkeit derer
die zurückbleiben, mag sein
daß sich jemand festbeißt
irgendwo in der mitte der angst
an einem wort
für das es keine übersetzung gibt -
lugar derradeiro do riso.




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Portugal-Post Nr. 23 / 2003


Ferdinand Blume-Werry