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"Jene Träume träumen, die uns so oft verzehren..."
Texte aus der Diaspora - Festschrift für José David Rosa.

Von Alexandra Pinho *

"Die Emigration ist eine sehr friedliche Art der Ausbreitung von Eigenarten und Besonderheiten des Vaterlandes, Ausbreitung seiner Sprache, seiner Literatur, seiner Künste, und insofern auch eine entscheidende Einflussnahme, die sich u.a. in wirtschaftlichen, politischen und industriellen Bereichen bemerkbar macht." Diese ist eine der Schlussfolgerungen, die Eça de Queirós bezüglich seiner Konsulatstätigkeit in Havanna, in einem Bericht von 1874 vorstellt, der jedoch erst 1979 unter dem Titel Die Emigration als gesellschaftliche Kraft in Portugal veröffentlicht wird.

In diesem Essay, der gleichzeitig auch ein Bericht ist, analysiert Eça eine Vielzahl von Aspekten bezüglich der Auswanderung. Obwohl er in seiner Abhandlung "auf seine naturalistische und positivistische Bildung und auf die Lehren von Taine, Darwin und Michelet zurückgreift" (so Isabel Pires de Lima bei der Neuauflage des Textes im Jahr 2000), und obwohl wir uns heute von seiner eurozentrierten Sichtweise entfernt haben, können wir uns dennoch nicht der Aktualität seiner Betrachtungen entziehen bezüglich der Emigration als Mittel der Ausbreitung von Kultur und Sprache des ursprünglichen Vaterlandes.

Texte aus der Diaspora. Eine Festschrift für José David Rosa stellt verschiedene Betrachtungen über die Situation der portugiesischen Diaspora in den Vordergrund, sowie die Kommunikation der einzelnen portugiesischen Gemeinden untereinander auf verschiedenen Breitengraden, im Dialog mit dem Anderen und mit Portugal. Das hier vorzustellende Werk, herausgegeben von Manuel Simões, Henrique Madeira und Luciano Caetano da Rosa und erschienen im Jahr 2000 beim Avinus Verlag in Berlin, ist eine Beitragssammlung von Freunden von José David Rosa, der, beheimatet im Alentejo, in die Schweiz emigrierte und dort zum Verfechter eines kulturellen Projektes wurde, das weder geographische noch soziale Schranken anerkannte.

José David Rosa (1935-1996) machte sich zur Aufgabe, eine Zeitschrift ins Leben zu rufen, "einen papiernen Marktplatz" wie Onésimo Teutónio de Almeida im Jornal de Letras 1984 schrieb, die er selbst "Wallfahrt" nannte. Dank der Unterstützung von Freunden und hauptsächlich auch Dank des Engagements David Rosas selbst, konnten sich die Zeitschrift und der Verlag 6 Jahre lang halten, wie uns Inês Sarre und Luciano Caetano da Rosa bezeugen. David Rosas Wunsch, Verknüpfungen innerhalb der einzelnen portugiesischen Gemeinden aufzubauen, Texte herauszugeben, die von portugiesischen Bewohnern verschiedener Länder kamen, und diese Ausgabe auf portugiesisch editieren zu können, veranlasste ihn, Grenzen und finanzielle Probleme zu überwinden, die oft aus einer zu späten oder gar keiner Antwort von portugiesischen Institutionen, die er um finanzielle Hilfe angegangen war, erwuchsen. Im Laufe der Zeit machte sich dennoch die Erschöpfung dieses "Schöpfers von Welten", wie ihn Eugénio Lisboa in seinem Beitrag zu dieser Festschrift genannt hat, bemerkbar, desjenigen, der "Träume träumte, die uns so oft verzehren."

Den Organisatoren dieser Texte aus der Diaspora war es ein Anliegen, einen der bedeutendsten Träume von David Rosa zu verwirklichen: erneut all diejenigen Texte zu vereinen, die von ehemaligen Mitarbeitern und Freunden verfasst worden waren, die inzwischen in aller Welt verstreut sind. Diesen "vermischten Aufsätzen" folgen drei Texte von David Rosa selbst, und noch vier Artikel vom Verlag über den Geehrten und seine Projekte. Die zuletzt genannten Artikel haben leider trotz der Faksimile-Ausgabe eine gravierende inhaltliche Verkürzung erfahren, welche die Lektüre in vielen Punkten erschwert.

Die Zusammenstellung der Beiträge lässt den Eklektizismus erahnen, den die Zeitschrift Wallfahrt charakterisiert haben dürfte: ein Gedicht von Luisa Costa Hölzl über den Alentejo, eine kurze Erzählung von Vittorio Placella über Erlebnisse in Lissabon, ein Essay von Manuel Simões, in dem die Unterschiede "portugiesischer Literatur der Emigration und der Expansion" herausgearbeitet werden, die Lebensgeschichte von William Wood, ein azorianischer Emigrant in Amerika, erzählt von Onésimo Teotónio de Almeida, und zuletzt ein Essay von Silva Duarte über Andersons Eindrücke seiner Reise nach Portugal, bezeugen die thematische und formale Vielfalt.

Dennoch - die Verwirklichung dieses "großen Traums" zwingt den Leser zu einer Wallfahrt ohne Anker oder Heimathafen. Obwohl sich Luciano Caetano da Rosa auf die unterschiedlichen Quellen der Texte beruft, obwohl er im ersten Teil des Vorwortes die Texte nach formalen Kriterien angeordnet hat (Gedichte, Kurzgeschichten, Erzählungen, Essays und Autobiographisches) und im zweiten Teil die verschiedenartigen Texte kurz vorstellt, indem er seiner ursprünglich vorgeschlagenen Anordnung ansatzweise folgt, klärt der Herausgeber dennoch in einer abschließenden Bemerkung darüber auf, dass die Texte letztendlich nach dem Vornamen des jeweiligen Autors alphabetisch angeordnet wurden. Der Leser kann dennoch nicht umhin, befremdlich auf diese eigenwillige Anordnung zu reagieren, bei der, zum Beispiel, dem weitblickenden Artikel von Inês Sarre über den Wert und die Notwendigkeit der Wertschätzung der portugiesischen Sprache, die Erzählung Schoolbus von José Costa folgt, der die Geschichte eines soeben von den Azoren in die USA emigrierten Kindes auf dem Weg zur Schule im Schulbus erzählt.

Die Festschrift hätte zusätzlich an Klarheit gewinnen können, wenn die Auswahl der Texte von José David Rosa als Autor ebenfalls vorgestellt worden wäre. Außerdem bestand die Hoffnung, dass die Auswahl der Texte durchaus auf zuvor erwähnten Texte gefallen wäre, zum Beispiel auf "Was meine Augen sahen - bezüglich des Todes eines Dichters", der von Inês Sarre als "ausdrucksstarker Text (...)" bezeichnet wird und dem Tod von Raul de Carvalho gewidmet ist (S.64).

Die Verwirklichung der Festschrift für José David Rosa, so wie sie in der jetzt erschienenen Form präsentiert wird, beinhaltet unbestritten viel Arbeit, wie Luciano Caetano da Rosa bestätigt. Und es ist gut zu sehen, dass die Stimmen, die sich in der Festschrift für José David Rosa erhoben haben, ihr Echo gefunden haben bei der Generaldirektion der Konsulatsangelegenheiten und portugiesischen Gemeinden, die, indem sie diese Publikation finanziell unterstützte, die Bedeutung anerkennt, die kulturellen Projekten zukommen können von in aller Welt verstreuten portugiesischen Gemeinden.


* Alexandra Pinho ist Portugiesischlektorin und Leiterin des "Centro de Língua Portuguesa (Instituto Camões)" an der Universität Hamburg, das im Februar 2002 eröffnet wurde (dazu die "Portugal-Post" No.18)




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Portugal-Post Nr. 22 / 2003