Im Herbst des vergangenen Jahres
haben meine Frau und ich eine Woche im nordöstlichen Zipfel des Alto
Alentejo, am Rande der Serra de São Mamede in dem hübschen Städtchen
Castelo de Vide verbracht. Neben anderen schönen Ausflügen – zu erwähnen
insbesondere das eindrucksvoll hoch oben auf dem Adlerfelsen liegenden
Marvão – war eines Tages Portalegre unser Ziel. Bei unserem
unvorbereiteten Bummel durch die Stadt stießen wir dort mehr durch Zufall
auf das Museu de Tapeçaria.
In einer Seitenstraße strahlte uns
die erst jüngst renovierte Fassade eines alten Palastes mit aufwändig
gestaltetem großen Eingangsportal entgegen, besonders auffällig in
Portalegre, wo die Häuser ansonsten von außen bescheidener, weniger
hergerichtet und eher ein wenig heruntergekommen aussehen.
Als wir eintreten, steht gleich
hinter dem Eingang um die Bilheteira eine Schar von jungen Leuten. Sie gehören
ganz offenbar zum Haus, sind guter Stimmung, verstummen aber, als sie uns
registrieren. Jetzt sind wir für einen Moment die Beobachteten. Es
scheint, als wenn um diese Jahreszeit fremde Besucher wie wir etwas
Besonderes sind.
Wir erfahren, dass der Eintritt frei
ist, und beginnen im Museum zu bummeln. Eine junge Frau folgt uns
unaufdringlich in geziemendem Abstand, und als wir an den ersten Exponaten
verweilen und meine Frau und ich uns unterhalten, versucht sie mit uns ins
Gespräch zu kommen, indem sie vorsichtig Erläuterungen anbietet.
Die Frage der Sprache muss noch geklärt
werden, und wir verständigen uns auf Portugiesisch. Wir kommen damit in
der Regel besser zurecht als mit dem von Portugiesen gesprochenen
Englisch, auch wenn wir selbst viel besser Englisch sprechen als
Portugiesisch.
Unsere Begleitung ist, so scheint es
uns, eine Studentin. Sie ist sehr gut informiert und spricht vor allem so
deutlich und mit maßvoller Geschwindigkeit, dass wir fast alles
verstehen. Auf Rückfragen weiß sie kompetent zu antworten und so
entwickelt sich langsam ein interessantes Gespräch über die Teppichknüpferei.
So führt sie uns von Raum zu Raum,
wo anfangs die Techniken des Teppichknüpfens erläutert werden, dann eine
Reihe von Entwürfen ausgestellt sind, und schließlich hängen moderne, künstlerische
Wandteppiche in großen bis sehr großen Formaten an den Wänden.
Ein etwa 15minütiger Film wird
extra für uns im Vortragssaal auf großer Leinwand abgespielt, denn wir
sind die einzigen Gäste im Museum. Der Film ist schon ein paar Jahre alt,
aber nach wie vor im Wesentlichen aktuell. Er zeigt die Entstehung der
Teppiche vom Entwurf, über die Auswahl und Bereitstellung der Fäden aus
Tausenden von Farben, bis zum aufwändigen Knüpfen, das natürlich nur
von Frauen gemacht wird.
Danach geht es weiter durch etliche
Säle mit vielen schönen, großformatigen Wandteppichen, vorwiegend
modernere bildliche und abstrakte Darstellungen auf hohem künstlerischen
Niveau. Darunter sind zwei Teppiche von Júlio Pomar, von denen ich
einen besonders ins Herz geschlossen habe, und einer von Le Corbusier. In
der Mehrzahl stammen die Entwürfe von portugiesische Künstlern.
Die Exponate sind alle in der 1946
gegründeten und noch heute bestehenden Teppichmanufaktur von Portalegre
hergestellt. Die Tradition des Teppichknüpfens gibt es in Portalegre
allerdings schon etwas länger.
Nach
Auskunft unserer Führerin arbeiten heute in Portalegre noch etwa 40 Frauen
beim Knüpfen. Leider kann man die Manufaktur selbst nicht besichtigen.
Man
ist stolz darauf, einen speziellen Knoten von Portalegre entwickelt zu
haben. An zwei Exponaten mit gleichem Motiv, von denen eines mit dem
Knoten von Portalegre geknüpft ist und das andere mit dem sonst üblichen
Knoten, kann man die unterschiedliche Wirkung der Knüpfarten selbst in
Augenschein nehmen.
Aus
dem Prospekt zur Ausstellung geht hervor, dass der Gründer der heutigen
Manufaktur von Anfang an viele Kontakte zu namhaften portugiesischen Künstlern
hatte und in den 50er und 60er Jahren durch viele Aufträge vom
portugiesischen Staat Unterstützung fand, als dieser viele neue öffentliche
Gebäude gebaut und mit Wandteppichen ausgestattet hat.
Auch
das Gebäude des Museums entpuppt sich innen als eine architektonisch
interessante Besonderheit. Aus dem alten Palast mit traditioneller Fassade
ist innen ein sehr moderner, zweckmäßiger Museumsbau geworden, mit
Elementen von Granit, Holz und Stahl, für meinen Geschmack sehr gelungen
(Architekt: Fernando Sequeira Mendes).
Wir
haben über gut 1½ Stunden eine sehr interessante, private Führung
gehabt, wurden sehr liebevoll und aufmerksam betreut, haben viel
Portugiesisch gehört und viele wunderschöne Wandteppiche gesehen. Wir können
den Besuch dieses besonderen Museums nur wärmstens empfehlen.