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Eine überraschende Entdeckung in Portalegre –
das Museu de Tapeçaria

Von Ingmar Regner

Im Herbst des vergangenen Jahres haben meine Frau und ich eine Woche im nordöstlichen Zipfel des Alto Alentejo, am Rande der Serra de São Mamede in dem hübschen Städtchen Castelo de Vide verbracht. Neben anderen schönen Ausflügen – zu erwähnen insbesondere das eindrucksvoll hoch oben auf dem Adlerfelsen liegenden Marvão – war eines Tages Portalegre unser Ziel. Bei unserem unvorbereiteten Bummel durch die Stadt stießen wir dort mehr durch Zufall auf das Museu de Tapeçaria.

In einer Seitenstraße strahlte uns die erst jüngst renovierte Fassade eines alten Palastes mit aufwändig gestaltetem großen Eingangsportal entgegen, besonders auffällig in Portalegre, wo die Häuser ansonsten von außen bescheidener, weniger hergerichtet und eher ein wenig heruntergekommen aussehen.

Als wir eintreten, steht gleich hinter dem Eingang um die Bilheteira eine Schar von jungen Leuten. Sie gehören ganz offenbar zum Haus, sind guter Stimmung, verstummen aber, als sie uns registrieren. Jetzt sind wir für einen Moment die Beobachteten. Es scheint, als wenn um diese Jahreszeit fremde Besucher wie wir etwas Besonderes sind.

Wir erfahren, dass der Eintritt frei ist, und beginnen im Museum zu bummeln. Eine junge Frau folgt uns unaufdringlich in geziemendem Abstand, und als wir an den ersten Exponaten verweilen und meine Frau und ich uns unterhalten, versucht sie mit uns ins Gespräch zu kommen, indem sie vorsichtig Erläuterungen anbietet.

Die Frage der Sprache muss noch geklärt werden, und wir verständigen uns auf Portugiesisch. Wir kommen damit in der Regel besser zurecht als mit dem von Portugiesen gesprochenen Englisch, auch wenn wir selbst viel besser Englisch sprechen als Portugiesisch.

Unsere Begleitung ist, so scheint es uns, eine Studentin. Sie ist sehr gut informiert und spricht vor allem so deutlich und mit maßvoller Geschwindigkeit, dass wir fast alles verstehen. Auf Rückfragen weiß sie kompetent zu antworten und so entwickelt sich langsam ein interessantes Gespräch über die Teppichknüpferei.

So führt sie uns von Raum zu Raum, wo anfangs die Techniken des Teppichknüpfens erläutert werden, dann eine Reihe von Entwürfen ausgestellt sind, und schließlich hängen moderne, künstlerische Wandteppiche in großen bis sehr großen Formaten an den Wänden.

Ein etwa 15minütiger Film wird extra für uns im Vortragssaal auf großer Leinwand abgespielt, denn wir sind die einzigen Gäste im Museum. Der Film ist schon ein paar Jahre alt, aber nach wie vor im Wesentlichen aktuell. Er zeigt die Entstehung der Teppiche vom Entwurf, über die Auswahl und Bereitstellung der Fäden aus Tausenden von Farben, bis zum aufwändigen Knüpfen, das natürlich nur von Frauen gemacht wird.

Danach geht es weiter durch etliche Säle mit vielen schönen, großformatigen Wandteppichen, vorwiegend modernere bildliche und abstrakte Darstellungen auf hohem künstlerischen Niveau. Darunter sind zwei Teppiche von Júlio Pomar, von denen ich einen besonders ins Herz geschlossen habe, und einer von Le Corbusier. In der Mehrzahl stammen die Entwürfe von portugiesische Künstlern.

Die Exponate sind alle in der 1946 gegründeten und noch heute bestehenden Teppichmanufaktur von Portalegre hergestellt. Die Tradition des Teppichknüpfens gibt es in Portalegre allerdings schon etwas länger.

Nach Auskunft unserer Führerin arbeiten heute in Portalegre noch etwa 40 Frauen beim Knüpfen. Leider kann man die Manufaktur selbst nicht besichtigen.

Man ist stolz darauf, einen speziellen Knoten von Portalegre entwickelt zu haben. An zwei Exponaten mit gleichem Motiv, von denen eines mit dem Knoten von Portalegre geknüpft ist und das andere mit dem sonst üblichen Knoten, kann man die unterschiedliche Wirkung der Knüpfarten selbst in Augenschein nehmen.

Aus dem Prospekt zur Ausstellung geht hervor, dass der Gründer der heutigen Manufaktur von Anfang an viele Kontakte zu namhaften portugiesischen Künstlern hatte und in den 50er und 60er Jahren durch viele Aufträge vom portugiesischen Staat Unterstützung fand, als dieser viele neue öffentliche Gebäude gebaut und mit Wandteppichen ausgestattet hat.

Auch das Gebäude des Museums entpuppt sich innen als eine architektonisch interessante Besonderheit. Aus dem alten Palast mit traditioneller Fassade ist innen ein sehr moderner, zweckmäßiger Museumsbau geworden, mit Elementen von Granit, Holz und Stahl, für meinen Geschmack sehr gelungen (Architekt: Fernando Sequeira Mendes).

Wir haben über gut 1½ Stunden eine sehr interessante, private Führung gehabt, wurden sehr liebevoll und aufmerksam betreut, haben viel Portugiesisch gehört und viele wunderschöne Wandteppiche gesehen. Wir können den Besuch dieses besonderen Museums nur wärmstens empfehlen.





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Portugal-Post Nr. 20 / 2002