Das allgegenwärtige Gespenst
Von Peter Unkart
Einhergehend mit der Krise in der
Landwirtschaft nehmen auch die Verzweiflungsakte im Alentejo zu.
Angestellte des Centro de Saúde Mental – des in Faro ansässigen
Gesundheitszentrums – verweisen als Ursache der Verzweiflung auf die
"Entwurzelung in der Familie", welche durch die Umstellung der
Lebensweise und diese wiederum durch den Tourismus ausgelöst wurde. Im übrigen
hat uns schon Lídia Jorge vor etwa zwei Jahrzehnten in einer Geschichte
aus dem Süden des Landes vom Aufbrechen der sozialen Strukturen infolge
des Tourismus erzählt, beginnend mit dem Neuanfang nach dem 25. April
1974.
Das
Problem bleibt unterdessen bestehen, und die Zahlen sprechen für sich:
Zwischen 1991 und 1995 (bis April) nahmen sich im Alentejo 615 Menschen
das Leben (445 Männer und 170 Frauen). Jedoch der Tourismus allein ist
nicht Schuld an diesen Verzweiflungstaten. Denn auch
Dauerarbeitslosigkeit, galoppierende Verarmung und soziale Vereinsamung
sind Gründe, die viele Menschen – viele unter ihnen sind junge Leute,
die von den miserablen Renten ihrer Eltern leben – zum Tod durch Suizid
veranlassen. Im Alentejo gibt es Hunger und es gibt Leute, die sich von
Schnecken ernähren. Unter diesen Umständen ist wohl das Gefühl, mit dem
Leben Schluss machen zu wollen, eine permanente und immanente Bedrohung.
Selbst ein Australier brachte sich um. Nachdem er sich ein Gut in der Nähe
von Portel gekauft und einige magere Jahre der Landwirtschaft erleben
musste, war er gezwungen, auf sein Gut eine Hypothek aufzunehmen. Eine
Schlinge an einem seiner Fenster setzte seinem Leben ein Ende.
Heutzutage
sind von der eben beschriebenen Situation nicht nur arbeitslose
Landarbeiter und Schäfer betroffen, sondern ebenso Landpächter,
Feldarbeiter sowie kleine und mittelgroße von Schulden geplagte Bauernhöfe.
Die Bevölkerung des ländlichen Alentejo nimmt immer mehr ab und wird
immer älter. Viele Dörfer beginnen sich aufzulösen, die Kinder
verschwinden und die Schulen schließen. Der Zug hält nicht mehr am
Bahnhof oder an der kleinen Haltestelle. Die Isolation und das Gefühl der
Einsamkeit auf Grund der Verluste im Arbeits-, sozialen und im familiären
Bereich führt zum übersteigerten Alkoholgenuss – eine Pseudolösung,
welche die Isolation nur noch verstärkt und entstandene Brüche nicht
mehr zu schließen vermag.
Der
Alentejo befindet sich in einer schwierigen Phase, und es bleibt nur, auf
bessere Perspektiven zu hoffen, damit diese uralte Region in baldiger
Zukunft wieder erblüht.
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Portugal-Post Nr. 20 / 2002
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