ESSA NOSSA DITOSA LÍNGUA XVIII
Die Farben Portugals (1. Teil)
Peter Koj
Einige Leser werden sich über den Titel der neuen Folge
unserer Serie zur portugiesischen Sprache wundern. Hat Portugal etwa seine
eigenen Farben? Haben denn nicht alle Nationen, alle Völker dieser Erde
denselben Begriff von Farben, mit denen wir unsere Welt erfassen? In der
Tat nehmen bestimmte Farben in bestimmten Gesellschaften eine besondere
Bedeutung an, die keine Entsprechung in anderen haben. In Portugal sind
dies natürlich rot und grün, seit der Gründung der Republik (1910) die
Farben der Nationalflagge, welche das blau-weiß der Monarchie (und heute
die Farben des FC Porto!) ersetzen. Aber darüber hinaus gibt es eine
ganze Reihe von idiomatischen Ausdrücken oder Redewendungen, wo die Farbe
eine Bedeutung hat, die nichts mit ihrer physikalischen Bedeutung zu tun
und keinerlei Entsprechung in anderen Sprachen hat. Wissen Sie was z.B.
ein saco azul, ein „blauer Beutel“, ist oder ein recibo
verde („grüne Quittung“) oder ein elefante branco („weißer
Elefant“)? Lassen wir doch einmal die verschiedenen Farben Portugals
Revue passieren.
Branco – Weiß
Um mit dem bereits zitierten „weißen Elefanten“
anzufangen, so handelt es sich um einen Begriff, der in letzter Zeit sehr
viel Verwendung gefunden hat, bezeichnet er doch eine Sache oder ein
Projekt, das viel Geld verschlingt, aber dessen Nutzen oder Rendite den
Aufwand nicht rechtfertigen (von diesen „weißen Elefanten“ tummeln
sich eine ganze Menge in unserem postmodernen Portugal!). Einen
positiveren Beiklang hat das „weiße Pferd“ (cavalo branco). Im
Theaterjargon bezeichnet man damit einen Außenstehenden, der eine
Theatergruppe oder eine Produktion finanziell unterstützt. Eine arma
branca („weiße Waffe“) besitzt eine scharfe oder spitze Klinge
(im Gegensatz zur Feuerwaffe), einer „weißen Ehe“ (casamento
branco) bleibt die sexuelle Erfüllung versagt und die Überlebende
solch einer Ehe nennt sich „weiße Witwe“ (viuva branca). Die
„weiße Sklaverei“ (escravatura branca) ist der Frauenhandel
zum Zwecke der Prostitution, und eine „weiße Brücke“ (ponte
branca) ist ein Provisorium, zumeist aus Holz. Aber es gibt auch frades
brancos („weiße Klosterbrüder“). Das sind die Zisterzienser, so
benannt wegen der Farbe ihres Gewandes, im Gegensatz zu den frades
pretos, den „scharzen Brüdern“, was die Benediktiner sind, deren
Gewänder ganz schwarz sind. Sehr seltsam ist auch der Ausdruck vom
„Soldaten in weißen Hosen“ (soldado de calça branca) zur
Bezeichnung einer Zigarette. Wenn jemand carta branca (weißen,
d.h. leeren Brief)hat, besitzt er volle Handlungsfreiheit; man wählt em
branco, wenn der Stimmzettel nicht ordentlich ausgefüllt wurde.
Unangenehmer ist schon, wenn man eine Nacht em branco verbringt,
weil es einem nicht gelingt ein Auge zu schließen.
Preto/negro – Schwarz
Wenn wir nun von „weiß“ zu ihrer
entgegengesetzten „Farbe“ wechseln, stoßen wir gleich auf die
Schwierigkeit, dass es dafür im Portugiesischen zwei Ausdrücke
gibt (preto und negro), während wir uns im Deutschen nur
mit einem begnügen müssen („schwarz“). Es gibt verschiedene Fälle,
wo das deutsche „schwarz“ dem portugiesischen preto entspricht,
wie in café preto („schwarzer Kaffee“), chá preto („schwarzer
Tee“), cerveja preta („Schwarzbier“) etc. Doch wenn man von
dem Instrument an Bord eines Flugzeugs spricht, das die gesendeten und
empfangenen Botschaften aufzeichnet (auf neudeutsch „Blackbox“), kann
man caixa negra oder caixa preta sagen. Auch der Pfeffer (pimenta)
kann preta oder negra sein, während das Schießpulver (pólvora)
immer nur negra ist und nicht preta. Nur preta ist
die hulha (Steinkohle), die mehr und mehr durch hulhas
anderer Farben ersetzt wird: hulha azul, „blaue Kohle“
(Bezeichnung des Meeres zur Nutzung für Antriebskraft), hulha branca
für Wasserfälle, die der Energiegewinnung dienen und hulha verde
als Name für Flüsse als Energie-Erzeuger. Und eine „schwarze
Banknote“ bedeutet viel Geld.
In der Tat scheint es jedoch so, als ob es mehr
idiomatische Ausdrücke mit negro gibt, denn dieses Adjekitiv hat
neben seiner Grundbedeutung als „dunkelste Farbe“, negative
Nebenbedeutungen wie „traurig“, „finster“, „zweifelhaft“,
„schädlich“, „bedrohlich“. In einigen Fällen bedient sich das
deutsche bei entsprechenden Ausdrücken desselben Wortes, wie „schwarze
Pest“ (morte/peste negra), „Schwarzbuch“ (livro negro),
Schwarzmarkt (mercado negro), schwarzer Humor (humor negro).
Aber die nódoa negra wechselt zum Deutschen die Farbe: sie wird
blau („blauer Fleck“!). Übrigens ist eine negra nicht nur ein
blauer Fleck auf der Haut, in der Umgangssprache bezeichnet sie auch eine
dunkle Flasche voll mit Wein oder im Sport ein Entscheidungsspiel nach
ausgeglichenem Spielstand.
Ein „schwarzes Leben“ (vida negra) ist ein
hartes Leben voller Entbehrungen, ein „schwarzer Frost“ (geada
negra) vernichtet die jungen Pflanzen und eine maré negra
(„schwarze Flut“, nicht zu verwechseln mit dem Mar Negro, dem
Schwarzen Meer) ist ein Ölteppich, der auf dem Meer schwimmt, als Folge
einer Schiffshavarie oder der Reinigung der Schiffstanks. Und wenn jemand
mit einem schwarzen Fingernagel (por uma unha negra) davongekommen
ist, dann war es ganz knapp. Von sehr positiver Art sind die Konnotationen
von „schwarzem Gold“, ouro negro (nicht zu verwechseln mit Ouro
Preto, der historischen Bergbaustadt in Brasilien): es bezeichnet das Erdöl
als wirtschaftlichen Reichtum. In Brasilien gibt es auch „weißes
Gold“ (ouro branco), was sich auf Baumwolle als
landwirtschaftliche Einnahmequelle bezieht. Ein heikles Thema ist die
Vermengung von preto und negro, wenn es um Afrika und seine
Bewohner geht. Heutzutage wird es als politically incorrect
betrachtet, sie als pretos zu bezeichnen, wie es zu Zeiten des
Kolonialismus üblich war (noch heute sagt man im übertragenen Sinne,
„eine Schwarze/Negerin haben“ im Sinne von „jemanden haben, der
einem die Arbeit abnimmt“). In diesem Zusammenhang ist unbedingt von negros
zu sprechen, was nichts Herabminderndes hat, selbst wenn es für einen
Deutschen so klingt („Neger“). Dementsprechend lautet die korrekte
Umschreibung für den „schwarzen Kontinent“ auf portugiesisch continente
negro.
Amarelo – Gelb
Nachdem wir einige Ausdrücke in Verbindung mit der
hellsten und dunkelsten Farbe „schwarz auf weiß“ haben, sollten wir
zu den etwas bunteren Farben übergehen. Beginnen wir mit
dem Gelb, das auf dem Sonnenspektrum zwischen grün und orange
angesiedelt ist und das außerdem die Ehre hat, die dritte Farbe der
Nationalflagge zu sein, denn die Armilarsphäre in deren Mitte, ist in
dieser Farbe abgebildet, wahrscheinlich weil dieses nautische Instrument,
das den Himmelsglobus darstellt, aus Gelbguss war, d.h. „gelbem
Messing“, latão amarelo, (Kupfergehalt zwischen 63% und 66%) und
nicht aus rotem Messing (85% Kupfer) – womit es sich wenig von der roten
Flaggenhälfte abgehoben hätte. Trotzdem scheint das Gelb im
Kollektivbewusstsein der Portugiesen keine große Rolle zu spielen, ganz
im Gegensatz zu den Brasilianern, die nicht nur zu Zeiten der Fußballweltmeisterschaft
in einem Meer von Gelb und Grün versinken und zu einer Nation von canarinhos
werden (Verkleinerungsform von canário, dem gelbsten aller Vögel).
Und kommen Sie mir nicht damit, dass es auch in Portugal canarinhos gibt.
Das sind die Anhänger von Estoril Praia, einer Mannschaft, die
nach ihrem Abstieg in die 2. Liga ein Schattendasein fristet. Es gibt im
Portugiesischen eine Reihe von Ausdrücken mit amarelo, die
aufgrund der Globalisierung der Kommunikationsmittel auch in anderen
Sprachen geläufig sind, wie cartão amarelo („gelbe Karte“), páginas
amarelas („gelbe Seiten“) und – bezugnehmend auf die Völker
Asiens – perigo amarelo („gelbe Gefahr“). Schon sehr viel
spezifischer portugiesisch dürfte riso amarelo („gelbes Lachen/Lächeln“)
sein, das ein gequältes oder künstliches Lachen/Lächeln bezeichnet. Und
wenn jemand „gelb wird“, dann sieht er krank oder mitgenommen aus
(z.B. „gelb vor Schreck werden“). Im Slang ist ein amarelo ein
Streikbrecher.
Azul – Blau
Trotz des schlechten Wetters, das uns in den letzten
Jahren heimgesucht hat, ist dies noch immer die Farbe, welche die meisten
mit Portugal in Verbindung bringen, denn sie ist – nach der Definition
des Dicionário da Língua portuguesa Contemporânea von Prof.
Malaca Casteleiro, unerschöpfliche Quelle bei meinen Nachforschungen –
„die Farbe des wolkenlosen Himmels zur Tageszeit“. Trotzdem ist das
Blau nicht sehr raumgreifend in der portugiesischen Sprache. So wie in den
anderen europäischen Sprachen gibt es „blaues Blut“ (sangue azul)
und den „blauen Planeten“ (planeta azul), d.h. die Erde.
Ausschließlich portugiesisch scheint die „blaue Post“ (correio
azul), ein teurer und – angeblich – schnellerer Beförderungsdienst.
Im Slang heißt azul so viel wie „rat- oder hilflos“ oder –
welch seltsamer Zufall! – ähnlich wie im Deutschen „betrunken“.
Zwei relativ neue Ausdrücke, die man noch in keinem Diktionär findet,
sind die „blaue Nummer“ (número azul), d.h. eine hotline,
dem Bürger in verschiedenen Bereichen kostenlos zur Verfügung steht, und
der blaue Beutel“ (saco azul), die inoffizielle Topf eines
Unternehmens, eine Art Kuchenkasse.
Im brasilianischen Slang sind Ausdrücke mit azul verbreiteter.
Vielleicht weil dort der Himmel noch blauer ist? Wenn in Brasilien alles
prima klappt, dann ist „alles blau“ (tudo azul) und/oder
„Gold auf blau“ (ouro sobre azul), aber wenn jemand einen
„blauen Brief“ (bilhete azul) bekommt, dann ist das schon
weniger angenehm, denn dann ist er seinen Job los.
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Portugal-Post Nr. 20 / 2002
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