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Portugal im März 98
Reise-Impressionen von Faro bis Porto

Von Peter Koj

I. O Algarve

Der Algarve ist - oder besser gesagt war - die schönste Küstenregion Portugals, wenn nicht ganz Europas. Eine Landschaft, die geprägt ist durch das liebliche Nebeneinander von sanften Hügeln, voll blühender Zitrusfrüchte- und Mandelbaumhainen, und gelb-braunen Sandsteinklippen, die immer wieder durchbrochen sind von pittoresken Schluchten und makellos weißen Sandstränden.

Dieses sind die goldenen Eier, welche die Henne Algarve der Tourismusbranche in den Korb gelegt hat. Doch was hat diese daraus gemacht? Die ungehemmte Expansion der Branche, die sich unter den wohlwollenden Blicken und den offen gehaltenen Händen der örtlichen Mandatsträger vollzieht, hat zu einer totalen Zersiedlung der Landschaft geführt. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem der gesamte Küstenstrich parzelliert und bebaut ist.

So stranguliert der Tourismus die Henne mit den goldenen Eiern. Welcher Tourist, der, angelockt durch die im Hochglanzprospekt angepriesene landschaftliche Schönheit des Algarve, in einer Bettenburg im Stile des Osdorfer Borns landet, wird jemals wieder hierher kommen? Und dort, wo man vor 10-15 Jahren noch wunderschöne Klippenwanderungen unternehmen konnte (z.B. zwischen Olhos d'Água und Vilamoura), verwehren jetzt Stacheldrahtzäune den Durchgang, damit die Gäste von Nobelherbergen und Golfplatzbenutzer nicht gestört werden.

So hat sich der Traum vom Edeltourismus in einen Alptraum verwandelt. Der Algarve ist, zumindest in der Nebensaison, zum Altersheim Europas gesunken. Scharen von Rentnern, überwiegend englischer Herkunft, ziehen am Straßenrand entlang, in jeder Hand einen Plastikbeutel vom nächsten Supermarkt haltend oder, wenn sie noch etwas fitter sind, in den Auspuffgasen der vorbeirasenden Autos joggend.

Der Portugalfreund wendet sich mit Grausen - dem Hinterland zu. Hier gibt es noch ein paar ruhige Ecken, die landschaftlich, kulturhistorisch oder architektonisch einiges zu bieten haben. Hier werden alte Gebäude liebevoll restauriert und traditionelle Formen des (Kunst)Handwerks gepflegt. Als Beispiel seien nur Silves, Alte und Mértola genannt.


II. Évora

Évora, die Perle des Alentejo, hat uns wieder voll in ihren Bann gezogen. Eine lebendige und betriebsame Gemeinde, der man anmerkt, dass sie lange Zeit die wichtigste Stadt nach Lissabon war (sie war z.B. in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Lieblingsaufenthalt der portugiesischen Könige). Trotzdem keine Hektik und kein Auto-Stress, vor allem im alten Stadtkern. Eine Stadt, die zum genüsslichen Schlendern einlädt unter Arkaden und in engen Gässchen. Dabei gibt es manch stilvoll restauriertes Gebäude zu entdecken.

Hübsche Straßencafés und kleine Restaurants laden zum Verweilen ein. Die Gastronomie kann sich - im Gegensatz zum Algarve - sehen und schmecken lassen. Eine noch unverfälschte regionale Küche zu zivilen Preisen stellen den Gourmet und den Gourmand gleichermaßen zufrieden. Allen voran Fialho in der Travessa das Mascarenhas mit seinen delikaten Vorspeisen und typischen Gerichten, z.B. cação (Hai) und javali (Wildschwein). Von dort ist es nur ein Steinwurf zum plüschigen Theater Garcia Resende, wo wir eine hinreißende Lorca-Inszenierung zu sehen bekamen. Évora - até à próxima!


III. Gott schütze uns vor Brand - und Deutschen im Ausland!

Wir sitzen inmitten fröhlich plaudernder Portugiesen in einem Straßencafé in Évora. Auf einmal kehren sich ihre Köpfe alle in eine Richtung. Unterdrücktes Kichern und leises Getuschel dringt an unser Ohr: Olhe o turista! Ein männliches Wesen mitteleuropäischer Herkunft zieht in einem unsäglichen Outfit an uns vorbei: Sandalen (mit Socken!), verblichene Turnhose, Ringerhemdchen mit Kamera vor dem Bauch, darüber ein dunkler Schlapphut. Der Kontrast zu den korrekt und trotz 25º im Schatten noch winterlich gekleideten Portugiesen war an Peinlichkeit nicht zu überbieten.

Und leider blieb es nicht bei dieser Erscheinung. Sowohl in Évora als auch später in Lissabon waren sie nicht zu übersehen, die kurzbehosten, nacktarmigen Nordlichter auf den Straßen, in den Cafés, aber auch in den Museen und Kirchen. Ohne die geringste Rücksicht auf das Stil- und Schicklichkeitsempfinden des Gastlandes wird jeder Quadratzentimeter nord- und zentraleuropäischer Haut gnadenlos der portugiesischen Sonne ausgesetzt. Nichts gegen eine schöne behaarte Männerwade! Doch sie sollte sich nur dort den bewundernden Blicken zeigen, wo sie hingehört: am Strand o. ä. Freizeitplätzen, nicht jedoch im Herzen einer Kulturhauptstadt wie Lissabon und noch weniger in einer ländlich geprägten Ortschaft wie Évora.


IV. Lisboa

Lissabon verändert sich mit einer Rasanz, die man nie für möglich gehalten hätte. Die Zeiten der Obras de Santa Engrácia, der nie fertig werdenden Bauten, sind endgültig vorbei. Wer hätte gedacht, dass der Bau der Ponte Vasco da Gama, mit knapp 18 km die längste Brücke Europas, termingerecht fertig gestellt werden würde? Die Zufahrtswege zu diesem gigantischen Bauwerk sind zwar noch nicht operacional und dadurch hat sich die erhoffte Verkehrsentlastung, bes. auf der "alten" Tejobrücke, der Ponte do 25 de Abril, noch nicht eingestellt. Doch warum sich aufregen? Im Gegenteil: es ergibt sich hier wieder eine Gelegenheit für eine der portugiesischen Haupttugenden, den desenrasco, d.h. sich aus einer schwierigen Situation herauszuwinden. In diesem Falle lautet die Aufgabe: wie finde ich den besten Schleichweg zur Brücke?

Ähnlich sieht es mit dem Expo-Gelände aus, wo die Vasco da Gama-Brücke das Nordufer des Tejo erreicht. Die bange Frage, ob die Ausstellung bis zum 22. Mai steht, wird nach der termingerechten Einweihung der Vasco da Gama - Brücke eher positiv beantwortet. Das Problem bleiben auch hier die Zufahrtswege. Der Taxifahrer, der mich über Erdwälle und Baustellen, aus denen mal Straßen werden sollen, am Expo-Gelände vorbeifuhr, beantwortete die Frage mit der sprichwörtlichen Schlagfertigkeit des alfacinha: die Organisatoren haben alles im Griff; ihnen ist bloß ein kleiner Druckfehler (gralha) unterlaufen. Es muss nicht Expo-98 heißen, sondern Expo-99.

Gute Nachricht für die Freunde der Lissabonner Kaffeehäuser: das tradionelle Nicola am Rossio hat nach zweijähriger Zwangspause (U-Bahnbau) wieder geöffnet. Man hat die Zeit gut genutzt zu einer Totalrenovierung, die dem Café sehr gut bekommen ist. Ein Problem war nur die neue High-Tech-Registrierkasse, mit der die Kellner vier Tage nach der Wiedereröffnung noch immer nicht zurechtkamen. Resultat: ungeduldige Gäste und genervtes Personal. Mal sehen, was aus dem Café Suiça auf der anderen Seite des Rossio wird, das seine Pforten immer noch geschlossen hat!


V. Porto

Die Cidade Invicta war letzte Station meiner Reise. Anlass: ein Vortrag an der Universität Porto über das Thema "Portugal in Hamburg" im Rahmen des Projektes "Deutschsprachige Metropolen". Dazu hatten die Studenten der germanistischen Fakultät viel Material liebevoll zu einer Ausstellung zusammengetragen. Sowohl die Ausstellungseröffnung als auch mein Vortrag waren sehr gut besucht. Auch die Tatsache, dass gleich drei Portuenser Studenten im nächsten Semester als Stipendiaten des Erasmus-Programms nach Hamburg kommen, zeigt die enge Verbundenheit der beiden Städte.

Weitere Beziehungen zwischen Hamburg und Porto könnten sich auch durch das gerade im Entstehen begriffene "Kulturforum" ergeben. Verschiedene Institutionen in Porto wie die Deutsche Schule, das Goethe-Institut, die Universität Porto, das deutsche Generalkonsulat, dazu verschiedene Privatpersonen, u.a. auch unser Mitglied Wolfram Minnemann, haben sich zusammengetan, um eine Organisation zu schaffen, die sich dem deutsch-portugiesischen Kulturaustausch widmet.

Im Augenblick ist man dabei, sich als Gesellschaft des öffentlichen Rechts zu etablieren, wobei unsere Satzung als Muster dient. Wir wünschen dem "Kulturforum" einen guten Start und eine gute Zusammenarbeit mit der PHG. Diese Initiative fügt sich sehr gut in das allgemeine kulturelle Klima Portos ein, das seit der Anerkennung als Weltkulturgut der UNESCO vor über einem Jahr geprägt ist durch eine allgemeine Aufbruchstimmung. Porto möchte, ähnlich wie vor vier Jahren Lissabon, nun auch europäische Kulturhauptstadt werden. Wir drücken die Daumen.





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Portugal-Post Nr. 2 / 1998


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