Kapstadt - Nichts sehnt die bitterarme Bevölkerung von Angola
mehr herbei als Frieden. Rechnet man den Aufstand gegen die Kolonialherren aus
Portugal hinzu, wird das südwestafrikanische Küstenland seit mehr als drei
Jahrzehnten fast ununterbrochen von blutigen Konflikten zerrissen. Das Resultat
ist niederschmetternd: eine Million Tote, ein völlig zerstörtes Land. Am
Donnerstag reichten sich Armeechef General Neto und der Rebellenkommandeur
Ukwachitembo die Hand, nachdem sie einen Waffenstillstand unterzeichnet hatten.
Aber ob aus Angola wieder ein blühendes Land werden kann, hängt
nicht nur vom Ende des Bürgerkrieges ab oder ob die 50 000 Unita-Rebellen
erfolgreich in die Sicherheitskräfte integriert werden können. Das
wirtschaftliche Grundübel des mit Rohöl, Diamanten und viel fruchtbaren Boden
reich gesegneten Landes heißt Korruption.
Die Nomenklatura der Regierung und der Armee bedient sich so
reichlich aus den jährlichen Öleinnahmen von drei Milliarden Dollar, dass nur
die Hälfte davon im Haushalt verbucht wird, meldet das südafrikanische
Polit-Magazin "Focus" in seiner jüngsten Ausgabe; der Ölkonzern BP
habe den Zorn der Regierung auf sich gezogen, weil man künftig exakt alle
Zahlungen veröffentlichen wolle. Mit der Entdeckung neuer Ölfelder im Atlantik
könnten sich die Einnahmen binnen zehn Jahren verdoppeln, glauben Experten.
Schon jetzt beziehen die USA sieben Prozent ihres Rohölbedarfs aus Angola -
mehr als aus Kuwait.
Keineswegs handelt es sich nur um einige korrupte Beamte und
Generäle, die besonders an Waffengeschäften gut mitverdienen. Allein Präsident
Jose Eduardo dos Santos (59), der aus Gesundheitsgründen im kommenden Jahr sein
Amt abgeben will, soll Abermillionen US-Dollars auf sein Privatkonto in
Brasilien abgezweigt haben. Der in Moskau zum Erdölingenieur ausgebildete Präsident
erhalte seit Jahren bereits 25 Cents für jedes Fass Öl eines bestimmen
Offshore-Feldes, erfuhr ein deutscher Entwicklungshelfer.
Bisher war der Krieg gegen die Rebellen der "Union für eine
völlige Unabhängigkeit Angolas" (Unita), die kurz nach der Unabhängigkeit
1975 der damals marxistischen MPLA-Regierung den Kampf ansagten, für alle Engpässe
verantwortlich gewesen. So konnte man rechtfertigen, dass für die Verteidigung
zehn Mal mehr als für das Schulwesen ausgegeben wurde - sogar für afrikanische
Verhältnisse eine unfassbare Zahl - und dass ausländische Hilfsorganisationen
seit vielen Jahren bereits hunderttausende Angolaner durchfüttern müssen,
obwohl das Land ohne weiteres einer der großen Nahrungsmittelproduzenten
Afrikas sein könnte. "Der Krieg, der Krieg, der Krieg, immer hat der Krieg
an allem Schuld", murrt Jose Machel, ein 40-jähriger Friseur, der an einer
Straßenecke in der Hauptstadt Luanda im Freien arbeitet, "aber unsere
Regierung lebt dabei immer prächtig."
Ende September 1992, als die ersten und letzten freie Wahlen
unter UN-Aufsicht stattfanden, glaubten viele Angolaner schon einmal an eine
Zukunft im Frieden und mit mehr Wohlstand. Es folgte ein weiteres Jahrzehnt der
sinnlosen Zerstörung und des Plünderns: das Öl für die MPLA, die Diamanten für
die Unita. Erst als Jonas Savimbi, der 1992 fest mit seinem Wahlsieg gerechnet
hatte und nach der Niederlage wutentbrannt in den Busch zurückkehrte, vor sechs
Wochen mit 15 Kugeln am Ufer des Lueveiflusses erschossen wurde und
seltsamerweise wenige Tage später sein Nachfolger an Herzversagen starb,
konnten die übrigen Unita-Generäle überzeugt werden, die Waffen endlich
niederzulegen.
Die 13 Millionen Angolaner, von denen bereits vier Millionen im völlig
verwahrlosten Lusaka - einst das "Rio Afrikas" - leben, wären schon
zufrieden, wenn sie bald ihre Kinder auf Schulen schicken könnten und in
Krankenhäusern einigermaßen ordentlich versorgt würden. Zu lange war ihr Land
Spielball der Soldaten und der Weltmächte im Kalten Krieg. Wobei die USA, unter
Reagan und Bush fest auf Seiten der angeblich pro-westlichen Unita, am Ende
stark mithalfen, dass Savimbi zur Strecke gebracht wurde. Der Savimbi-Biograph
Fred Bridgeland fand heraus, dass die CIA per Satellit die Truppenpositionen
Savimbis direkt an seine Häscher weitergab.
Quelle: Die Welt