Cristina Branco, a fadista desejada
Cristina Branco, die ersehnte Fadista
Von Helge Dankwarth
Der Fahrplan des Schicksals für Fadistas schien
ohnehin klar. Maria Severa wurde
1820 geboren, Amália Rodrigues 1920. Mit einer neuen ganz, ganz großen
war also nicht vor dem Jahr 2020 zu rechnen. Mit Glück könnte ich sie noch als
Neugeborene erleben. An der Stimme würde ich sie sicherlich sogleich erkennen.
Im Stillen habe ich jedoch immer gehofft, dass dieses
alles Unsinn ist. War es auch! Am Dienstag, den 18. Dezember 2001 gegen 20:20
Uhr durfte das Publikum in der Kleinen Musikhalle in Hamburg eine Stimme hören,
welche bis in die Fußspitzen elektrisiert. Die Stimme der Cristina Branco. Groß,
klar, biegsam, ausdrucksstark und von wunderbarer Schönheit. Woher nimmt sie
das alles? Das nimmt sie aus sich selbst. Sie ist als Fadista einfach
„frühreif“ – und dieses Wort war noch nie so positiv anwendbar. Die
vielen Klassiker, die sie sang, waren teilweise geringfügig rhythmisch verändert;
es entstand daher nie der Eindruck, dass sie einfach nur „nachsang“. Ihre
Musikalität und die Ausdruckskraft sind so groß, dass sie niemanden kopieren
muss. Obgleich einiges natürlich an ihr großes Vorbild erinnerte, was glücklicherweise
unvermeidlich ist, wenn man in der „Champions League“ Fado singt.
Etwas verunsichert schien sie am Anfang. Würde
dieser fast ausverkaufte Saal voller Nordgermanen ihren Fado überhaupt
verstehen können? Aber ihr Mann, Custódio Castelo, ein Magier an der guitarra
portuguesa, machte ihr durch freundliche Blicke und Zunicken so richtig Mut,
denn er kennt das Hamburger Publikum schon seit dem Misia-Konzert von 1998 im
Curio-Haus. Die große, schlanke Cristina, die manchmal so zerbrechlich wirkt,
trug nach dem dritten Fado ihr schwarzes Kleid mit den (selbst?) gehäkelten
Blumen voller Stolz, denn jetzt hatte sie spätestens die Zuhörer total
erobert. An dieser Eroberung waren jedoch auch drei músicos beteiligt,
welche in der ganz großen guitarrista-Tradition des Lissabonner Fados
auf allerhöchster Ebene agierten: Custódio Castelo an der guitarra
portuguesa, Alexandre Silva – viola und Mariano de Freitas – viola
baixo. Während die drei senhores eine hinreißende guitarrada
von Custódio Castelo spielten, verließ Cristina kurz die Bühne. Als sie zurückkam,
trug sie ein schwarzes Fadotuch (xaile) um die Schultern. Fadistas
sagen häufig, dass es die Kraft des xaile sei, welche sie während des
Vortrags stützt und zu noch größeren Leistungen befähigt. Vielleicht war es
auch hier so. Sie sang u.a. „Barco negro“, mit dem inzwischen
stehenden Publikum zusammen dann „Tudo isto é fado“, und – mit
allem Respekt, wie sie sagte – „Povo que lavas no rio“. Sie sang es
wie eine Hymne: Povo, povo, eu te pertenço – Volk, Volk, ich gehöre zu dir.
Es fehlte an nichts.
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