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S I Z A

João Abreu Vares

siehe auch:Interview mit Alvaro Siza Vieira

Seit im Jahre 1988 der Lissabonner Bürgermeister Krus Abecassis in einer überraschenden Entscheidung den Architekten Álvaro Siza Viera einlud, den Wiederaufbau des Chiado zu leiten, wurde dieser einem größeren Publikum zu einem Namen, mit dem man etwas anzufangen wusste.

1933 in Matosinhos geboren, als Sohn von Júlio und Cassilda Siza Vieira, ist er heute nicht bloß ein portugiesischer Architekt, sondern auch eine international bekannte Persönlichkeit. Sein Vater kam aus Brasilien, wohin er mit 12 Jahren ausgewandert war und arbeitete als Ingenieur in der Raffinerie Angola in Matosinhos. Die Ferien benutzte er dazu, mit seiner Frau und den drei Kindern (Álvaro, Teresa und António Carlos) neue Umgebungen und kulturelle Stätten in Portugal und der übrigen iberischen Halbinsel aufzusuchen. Diese Reisen sollten ein entscheidendes Gewicht bei der späteren Berufswahl von Álvaro Siza haben. Sein Wunsch, Bildhauerei zu studieren, nahm stark ab nach einem Besuch in Barcelona, der in ihm ein starkes Interesse für die formalen Möglichkeiten der Architektur weckten.

In den 50er Jahren hatte der staatlich propagierte Baustil zur Folge, dass einige portugiesische Architekten, die sich dafür interessierten, moderne internationale Konzepte auszuprobieren, sich beruflich ausgeschlossen fühlten. Einige, die schon bedeutende Arbeit in den 20er und 30er Jahren geleistet hatten, mussten nun mit ansehen, wie offizielle Aufträge oder die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen zurückgingen. Eine Architektur, die dann als die "des Estado Novo" bekannt wird, ist die neue offizielle Handschrift.

In Porto ergibt sich eine Erneuerung der Hochschule für Architektur, wobei sich an ihrer Spitze Carlos Ramos wiederfindet, einer von den in Lissabon vergessenen Architekten. Er nutzt die Gelegenheit zur Erneuerung des Lehrkörpers, indem er einige dieser Architekten einlädt. Einige kommen als Assistenten, andere um hier ihre Abschlussprüfung abzulegen. Einer von ihnen ist Fernando Távora, Assistenzprofessor und Mitglied der CAM (Internationaler Kongress für moderne Kunst), ein Sammelbecken für die neuen Architekturvorstellungen und –ideen, die damals aufkamen. Zu ihm stieß der junge Siza, der die Hochschule von 1949 bis 1953 besucht. Zwischen dem jungen Studenten und dem Assistenzprofessor entstand eine Freundschaft, die bis heute Bestand hat, und noch als Student beginnt Siza als Mitarbeiter in seinem Büro, wo er bis 1958 bleibt.

Es ist die Zeit, in der er sein erstes großes Werk realisiert, das Boa Nova Teehaus in Leça da Palmeira. Mit diesem Projekt beginnt seine eigentliche berufliche Karriere, deren Anfänge auf das Jahr 1952 zurückgehen (Markthalle von Vila da Feira als Mitarbeiter von F. Távora).

"Von 1976 an reduzierten sich seine Bauten in Portugal, es begannen die Anfragen aus Europa und Siza Vieira hatte sich mit den Realitäten eines zunehmend ausgedehnten Horizonts auseinanderzusetzen. Anstatt sich zeitlich und bildlich zu verzetteln, sucht Siza Vieira eine historische Legitimierung in den Anfängen der Moderne (Adolf Loos, Le Corbusier, Bruno Taut, Hugo Häring). Die sorgfältige Konstruktionsweise als entwurfbestimmendes Mittel erlaubt, dass sein Werk in Europa (Berlin, Den Haag, Italien, Spanien) die gleiche Fähigkeit besitzt, sich unterschiedlichen technologischen Wirklichkeiten und Werken größerer Dimensionen anzupassen. Aufgrund seines Erfolges im Ausland, erhielt er ab 1985 Aufträge von wachsender Bedeutung in Portugal." 1

Es ist wohl als Folge dieser späten Anerkennung in Portugal und gleichzeitig als kluger (politischer) Schachzug anzusehen, dass Krus Abecassis, Lissabonner Bürgermeister bis 1989, ihn 1988 einlädt, den Wiederaufbau des Chiado zu leiten. Siza, hinlänglich bekannt in Architektenkreisen, war für das große Publikum ein Unbekannter. Dieses hatte, wenn es um Architektur ging, nur einen Namen parat – Tomás Taveira, Schöpfer des Shopping Amoreira, u.a., das zwei Jahre vorher eingeweiht wurde.

Mit dem Brand des Chiado, der ein gewachsenes Stadtviertel zerstörte, wurde eine Diskussion über Verfahrensmethoden des Wiederaufbaus ausgelöst. Der tieferliegende Streit ging jedoch darum, welche Art von Architektur oder äußeres Erscheinungsbild am Chiado Einzug finden sollte. Mit der Ankündigung, dass er Siza einladen würde, um den Wiederaufbau zu leiten – was dieser nur zögernd annahm – löste Abecassis einen „Streit der Kirchengemeinden“ aus, der sich gegen den „Portuenser Architekten“ richtet, der nur "Häuser für arme Leute"2 bauen kann und dass es "am Chiado keinen Platz für sozialen Wohnungsbau gibt"3 Dazu muss man sagen, dass während Abecassis ein Mitglied einer konservativen Partei ist, Siza ein linker Intellektueller ist, der mehrfach bei Kommunalwahlen kandidierte, ohne jedoch einer bestimmten Partei anzugehören. – Die Überraschung kann jetzt von allen in Augenschein genommen werden: ein Eingriff, der Rücksicht nimmt auf die Vergangenheit der Örtlichkeit und dabei die einmalige Chance nutzt, Probleme zu korrigieren, die sich im Laufe der Jahre angesammelt hatten oder die im Verlauf der Arbeiten auftauchten.

Siza, der ein leichter und angenehmer Gesprächspartner ist, verbreitet eine Aura der Schlichtheit, wenn er von seinen Projekten spricht, welche Wege er bei jedem von ihnen einschlagen musste, von seinen Freuden und Leiden. So wie beim Architektursymposium letzten Oktober im portugiesischen Pavillon in Hannover (sein erster Besuch im selben!) gelingt es Siza, seine Zuhörerschaft mit der Beschreibung des Arbeitsprozesses zu fesseln. Mit einer gewissen ironischen Lockerheit bringt er das Wesentliche herüber und stellt auf einfache Weise den Widerstreit dar, der bei den einzelnen Etappen eines Projektes entstehen kann. Bei diesem Treffen wurde die Beziehung offen diskutiert, die zwischen dem Auftraggeber und dem Architekten existiert, zwischen demjenigen, der einen Wunsch hegt und der Aktivität des Architekten, der diesen Wunsch in die Tat umsetzt. Eine Beziehung, die von großer Bedeutung bei der Entwicklung des Projektes eines Gemeindezentrums in Marco de Canavezes war, dessen inzwischen fertiggestellte Kirche zu einem Bezugspunkt und Studienobjekt von Architekten verschiedener Länder geworden ist. Ein Projekt, welches das Ergebnis einer guten Beziehung war zwischen dem jungen Pfarrer, dem Architekten und dem geduldigen Bauunternehmer, der weiß, dass jeder Besichtigungstermin des Architekten zu Korrekturen und Veränderungen führt, die wichtig sind für die Überraschung, das fertiggestellte Bauwerk.

Nach der Verwirklichung des Portugal-Pavillons auf der Expo '98, eines seiner bekanntesten Werke, wird er von Portugals Kommissarin, D. Simonetta Luz Afonso, eingeladen, den Pavillon in Hannover zu entwerfen. Da dies mehrfache Reisen zum Entstehungsort bedeuten würde und im Bewusstsein der Probleme, welche deutsche Ämter immer bei ungewöhnlichen architektonischen Lösungen bereiten (so seine Erfahrungen in Berlin), rät er ihr, einen „jungen“ Architekten wie Eduardo Souto de Moura einzuladen. Dieser nimmt an, aber nur unter einer Bedingung: dass Siza Co-Architekt ist. Solchermaßen in die Enge getrieben, nimmt Siza schließlich an, und man beschließt, dass Souto de Moura die Bauaufsicht in Hannover übernimmt. Gefragt, um wessen Projekt es sich handelt, antworten beide immer "fifty-fifty"! So begleitet schließlich Souto de Moura die Arbeiten in Hannover und kehrt mit Fotos und Skizzen von der Baustelle zurück und diskutiert mit Siza, welches die nächsten Schritte sind, die zu unternehmen sind. Wie bereits erwähnt, besucht Siza den Pavillon erst im Oktober, als dieser seinen ursprünglichen Zweck bereits erfüllt hat.

Hier haben wir, ähnlich wie bei anderen Gelegenheiten einen Álvaro Siza, dem man kaum noch Zeit lässt, an seinem Reißbrett zu arbeiten. Aufgrund seines Werkes wird er ständig zu Konferenzen und Vorträgen in der ganzen Welt eingeladen. "Ich werde zu allem Möglichen aufgefordert, zu den unvorstellbarsten Vorträgen und zu Interviews und Erklärungen ohne Ende." Seine Zeit ist knapp, ständig muss er in eine andere Stadt abreisen, ein anderes Hotel, ständig begleitet von seinem unzertrennlichen Zeichen- und Notizblock.

Er ist der international am meisten ausgezeichnete Architekt, Gewinner des europäischen Architekturpreises der Mies-van-der Rohe-Stiftung, den Praemium Imperiale des japanischen Künstlerverbandes, der Goldmedaille für Architektur vom Colegio de Arquitectos, Spanien, der Goldmedaille der Alvar-Aalto-Stiftung, ebenso wie des Pritzker Preises der Hyatt Foundation in Chicago, der allgemein als die höchste internationale Auszeichnung für Architektur angesehen wird, und eine Reihe anderer Preise. Dabei läuft er schon mal Gefahr, dass ihm ein bereits zuerkannter Preis nochmals verliehen wird, wie am 28. November, als er von Jorge Sampaio noch einmal offiziell mit dem Secil Preis ausgezeichnet wurde, Portugals renommiertestem Architekturpreis. Das Werk, aufgrund dessen er damit ausgezeichnet wurde, war erstmals ein im Ausland entstandenes Gebäude, die im letzten Jahr fertiggestellte Fakultät für Informatik der Universität von Compostela in Galizien. Es war übrigens das zweite Mal, dass er diesen Preis erhielt, nachdem er ihn bereits 1996 für den Wiederaufbau des Castro e Melo Gebäudes am Chiado erhalten hatte.


1 Katalog der Ausstellung "Architektur im 20. Jahrhundert: Portugal". Frankfurt a. Main, 1998
2 Tomás Taveira in einem Presseinterview der Zeit
3 Tomás Taveira, ebda.




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Portugal-Post Nr. 13 / 2001



Bauwerke von Alvaro Siza Vieira

Version für den Süden mit Sonnenschutz:
Portugals Pavillion auf der Expo '98 in Lissabon
Foto: Walter Voigt




Version Nord mit Korkdämmung: Portugals Pavillion auf der Expo 2000 in Hannover
Foto: Christel Lauritzen




Offen für die Natur:
Die Architekturfakultät der Universität Porto
Foto: Walter Voigt




Offen für schöne Formen:
Die Architekturfakultät der Universität Porto
Foto: Walter Voigt