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Gramática/Grammatiknüsse
Ser oder estar - that's the question

Geknackt von Peter Koj

Wie würde Hamlet in der berühmten Szene, in der er den Schädel des armen Yorrick betrachtet und die bedeutungsschwere Frage stellt: "To be or no to be - that`s the question" (zu deutsch: "Sein oder Nichtsein - das ist die Frage"), sich ausdrücken, wenn er Portugiese wäre? Für das Verb "sein" (to be) gibt es im Portugiesischen bekanntlich zwei Entsprechungen: estar und ser, und gelegentlich passt sogar das Verb ficar.

Doch wann gebraucht man was? Als Faustregeln gelten (ich zitiere nach der Portugiesischen Grammatik von Maria Teresa Hundertmark-Santos Martins, erschienen im Niemeyer-Verlag): Ser wird gebraucht bei wesentlichen Eigenschaften und Dauerzuständen, die sich ihrer Natur nach nicht ändern oder doch wenigstens eine Zeitlang konstant bleiben (Nationalität, Beruf, Konfession, Charakter, Form, Material), bzw. wenn der Sprecher etwas als wesentlich oder dauerhaft darstellen will; ebenso bei Daten- oder Zeitangaben. Beispiele: Sou alemäo. A história é triste. São estudantes. Hoje é quinta-feira. A mesa é redonda.

Estar wird gebraucht bei vorübergehenden Zuständen (Krankheit, Emotionen, Wetter) und bei Ortsangaben im Sinne von "sich befinden". Beispiele: Ela está doente. O carro está sujo. Hoje estou cansado e triste. Ele está em casa.

Wenn es sich jedoch um unveränderliche Ortsangaben handelt (z.B. von Gebäuden), wird ser verwendet. Hier kann man auch ficar verwenden. Beispiel: Onde é (fica) o correio? Als Deutsche neigen wir gern dazu, bei Ortsangaben ser und estar zu verwechseln, da es im Deutschen immer "sein" heißt, egal ob ich aus Hamburg bin (Eu sou de Hamburgo) oder ob ich in Hamburg bin (Eu estou em Hamburgo). Mit ser und estar hat sich das Portugiesische gegenüber dem Deutschen zudem eine Möglichkeit geschaffen, bei der Beschreibung von Zuständen genauer zu differenzieren. "Er ist krank" kann je nach der Schwere bzw. der Dauer der Krankheit übersetzt werden mit Ele é doente oder Ele está doente. Im ersteren Fall handelt es sich um eine wesensmäßige Eigenschaft, d.h. der Betreffende ist chronisch krank, im zweiten Fall um eine vorübergehende Erkrankung.

Nun, was hätte Hamlet auf portugiesisch gesagt? Richtig! Da es sich um eine existentielle Frage handelt und nicht um das sich vorübergehende Befinden: "Ser ou não ser - eis a questão!"





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Portugal-Post Nr. 1 / 1998